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Zitiervorschlag

Aus: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1999, 79, S. 17-24

Qualität der Kindertagesbetreuung: Ziele des Netzwerks Kinderbetreuung der Europäischen Kommission

Martin R. Textor

 

Im Jahr 1996 veröffentlichte eine Organisation mit der unhandlichen Bezeichnung "Netzwerk Kinderbetreuung und andere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer der Europäischen Kommission" 40 Qualitätsziele für Kindertageseinrichtungen. Diese Ziele sollen im Rahmen eines zehnjährigen Aktionsprogramms von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden. Nahezu zeitgleich wurden in den USA die Empfehlungen der "Quality 2000"-Initiative (Kagan/Neuman 1997) publiziert, die von Hunderten von Experten/-innen erarbeitet wurden. Auch hier handelt es sich um ein zehnjähriges Aktionsprogramm; die acht zentralen und detailliert ausgearbeiteten Empfehlungen sollen bis zum Jahr 2010 umgesetzt werden. Dann sollen in den USA Betreuungs- und Erziehungsprogramme von hoher Qualität für alle Kinder von der Geburt bis zu ihrem fünften Lebensjahr vorhanden sein.

Beide Aktionsprogramme haben einen ähnlichen Hintergrund: Es geht um den bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung, um die Angleichung der Standards in Bundesstaaten bzw. einem Staatenbund und vor allem um die Verbesserung der Qualität der Betreuung. Diese lässt in vielen Tageseinrichtungen zu wünschen übrig - was inzwischen durch viele wissenschaftliche Untersuchungen (z.B. Scarr/Eisenberg/Deater-Deckard 1994; Tietze et al. 1996; Whitebook/Howes/Philipps 1990) belegt wurde. Beispielsweise wurden vom Cost, Quality, and Outcomes Study Team (1995) 400 zufällig ausgewählte Einrichtungen in California, Colorado, Connecticut und North Carolina beurteilt. 10 % der Gruppen in vorschulischen Einrichtungen waren von schlechter, 66 % von mittelmäßiger und 24 % von guter Qualität, während 40 % der Gruppen für Kleinstkinder als schlecht, 52 % als mittelmäßig und nur 8 % als gut eingestuft wurden (anhand der üblicherweise verwandten "Early Childhood Environment Rating Scale" bzw. der "Infant/Toddler Environment Rating Scale"). Auch aus Deutschland liegen erste Untersuchungsergebnisse vor, nach denen viele Kindergärten keine qualitativ hochwertige Arbeit leisten (z.B. Tietze in Druck; Tietze et al. 1996; Zimmer et al. 1997).

Die Europäische Union beschäftigt sich mit Kinderbetreuung aufgrund ihrer Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Kontext wurde 1986 das Netzwerk Kinderbetreuung der Europäischen Kommission eingerichtet. Laut dem Dritten Aktionsprogramm zur Chancengleichheit von Frauen und Männern aus dem Jahr 1991 soll es u.a. "Kriterien zur Definition von Qualität in Kinderbetreuungseinrichtungen" festlegen. Dies geschah durch das vorliegende Aktionsprogramm. Ein erster Entwurf der Mitglieder des Netzwerks wurde 1991 an mehr als 3.000 internationale, europäische, regionale und lokale Institutionen verschickt; deren Stellungnahmen wurden in die Endfassung eingearbeitet.

Das Aktionsprogramm enthält notwendige und durchführbare Ziele für alle Länder der EU, die bis zum Jahr 2006 erreichbar sein sollen. Es soll die politische Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse von Familien und Kindern erhöhen sowie zu einer die gesamte Gesellschaft einbeziehenden offenen Diskussion über Philosophie, Ziele, Methoden und Praxis der Fremdbetreuung führen. So sollen der Begriff "Qualität" und die entsprechenden Kriterien von Eltern, Kindern, Fachkräften und anderen interessierten Personen gemeinsam bestimmt werden, damit deren unterschiedliche Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen und Werte Berücksichtigung finden: "Qualität ist ein relatives Konzept, das auf Werten und Überzeugungen beruht. Demzufolge sollte die Definition von Qualität ein dynamischer, kontinuierlicher und demokratischer Prozess sein. Es muss eine Balance gefunden werden zwischen der Definition von bestimmten gemeinsamen Zielvorgaben, die für alle Einrichtungen gelten, und der Förderung der Vielfalt zwischen einzelnen Einrichtungen" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 9).

Die 40 Qualitätskriterien des Netzwerks Kinderbetreuung sollen im folgenden wörtlich wiedergegeben werden. Dies geschieht - wie im Aktionsprogramm - in acht "Kapiteln". Nach dem Abdruck werden vergleichbare Verlautbarungen von der "Qualcity 2000"-Initiative (Kagan/Neuman 1997) präsentiert. Sofern möglich, werden die Aussagen beider Aktionsprogramme durch Forschungsergebnisse belegt, die vor allem im angloamerikanischen Raum gewonnen wurden (vgl. Davis/Thornburg 1994; Podmore 1993, 1994; Textor 1996a, b).

I. Ziele in Bezug auf den politischen Rahmen

Das Netzwerk Kinderbetreuung geht davon aus, dass nur nationale Politik die Versorgung mit aufeinander abgestimmten, qualitativ hochwertigen Kindertageseinrichtungen sicherstellen kann. Dies kommt in den ersten Zielen zum Ausdruck:

Ziel 1: Die Regierungen sollten einen fachlichen und öffentlichen Meinungsbildungsprozess herbeiführen, um eine offizielle und abgestimmte Absichtserklärung für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für kleine Kinder zwischen null und sechs Jahren im öffentlichen und privaten Sektor, auf nationaler und regionaler/lokaler Ebene zur Verfügung zu stellen. Eine solche Politik benennt Grundlagen und Zielvorgaben, definiert Prioritäten und zeigt, wie derartige Initiativen zwischen wichtigen Abteilungen koordiniert werden.

Ziel 2: Auf nationaler Ebene sollte eine Abteilung ernannt werden, die die Verantwortung für die Umsetzung der Politik übernimmt, entweder direkt oder mit Hilfe einer Dienststelle. Auf regionaler/lokaler Ebene sollte gleichermaßen die Verantwortung zugewiesen werden, entweder indem regionale/lokale Behörden Einrichtungen direkt verwalten oder indem an andere Anbieter ausgelagert wird.

Ziel 3: Die Regierungen sollten ein Programm zur Umsetzung der Politik erstellen, das entsprechende Strategien skizziert, Ziele festlegt und Ressourcen detailliert angibt. Auf regionaler/lokaler Ebene sollte die verantwortliche Behörde oder Dienststelle in gleicher Weise ein Programm zur Umsetzung der Politik und der Weiterentwicklung der Praxis erstellen.

Ziel 4: Es sollte ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der sicherstellt, dass die Ziele innerhalb einer bestimmten Zeit vollkommen erfüllt und regelmäßig überprüft werden, und der die Zuständigkeit der regionalen und/oder lokalen Regierungen bei der Erfüllung der Ziele umreißen soll.

Ziel 5: Die Abteilung oder Dienststelle der Regierung, die auf nationaler Ebene verantwortlich ist, sollte eine Infrastruktur für die Planung, Aufsicht, Überprüfung, Unterstützung, Aus- und Weiterbildung, Forschung und Einrichtungsentwicklung schaffen, mit parallelen Strukturen auf lokaler Ebene.

Ziel 6: Das Planungs- und Aufsichtssystem sollte über Maßnahmen verfügen, die Angebot, Nachfrage und Bedürfnisse aller nationalen, regionalen und/oder lokalen Einrichtungen für kleine Kinder zusammenführen.

Bei der "Quality 2000"-Initiative finden sich ähnliche Forderungen vor allem in der 8. Empfehlung: So sollen "State Early Care and Education Boards" geschaffen werden, die eine hohe Qualität von vorschulischen Einrichtungen sicherstellen sollen, indem Standards aufgestellt, Daten gesammelt und ausgewertet sowie entsprechende Förderrichtlinien entwickelt werden. Ihre Mitglieder sollen Eltern, Fachkräfte, führende Persönlichkeiten aus dem Gemeinde- und Staatsleben (einschließlich Pfarrer), Verwaltungsleute und Regierungsvertreter sein. Eine ähnliche Funktion und Zusammensetzung sollen die zu schaffenden "Local Early Care and Education Boards" haben, die für die Überwachung und Anleitung der Einrichtungen in ihrem Bezirk zuständig sind. Die Bundesregierung soll nationale Daten sammeln und die Staaten bei der Entwicklung von Standards anleiten.

In der 6. Empfehlung wird vor allem für eine Lizenzierung von allen frühpädagogischen Betreuungs- und Bildungsprogrammen sowie Kindertageseinrichtungen plädiert. Die US-Bundesregierung soll nationale Richtlinien entwickeln, die zu ähnlichen Kriterien in allen Bundesstaaten führen. Die Lizenzierung soll gewährleisten, dass das jeweilige Programm die Gesundheit und Entwicklung der Kinder fördert bzw. dass die jeweilige Einrichtung den Sicherheitsstandards entspricht. Die Bundesstaaten sollen für die Durchsetzung der Standards verantwortlich sein.

II. Finanzielle Ziele in Verbindung mit dem politischen Rahmen

Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung kann laut dem Netzwerk Kinderbetreuung nur erreicht werden, wenn hierfür mindestens 1% des BIP bereitgestellt wird: "In den Mitgliedsstaaten [der EU] betragen die öffentlichen Bildungsausgaben (...) zwischen 4 und 6% des Bruttoinlandsproduktes. Dieses 1% stellt gegenwärtig rund ein Fünftel des öffentlichen Bildungshaushaltes in den Mitgliedsstaaten dar. Vor diesem Hintergrund kann das Ziel für Einrichtungen für Kinder unter sechs Jahren als bescheidener und minimaler Teil der öffentlichen Ressourcen für eine Altersgruppe betrachtet werden, die ein Drittel aller Kinder ausmacht" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 12). Derzeit werden in Deutschland nur 0,42% des BIP von der öffentlichen Hand für Kindertageseinrichtungen ausgegeben, d.h. 3.448 EUR pro Kind (DER SPIEGEL 2005, Heft 15, S. 144).

Ziel 7: Die öffentlichen Ausgaben für Einrichtungen für kleine Kinder (in diesem Fall definiert als Kinder im Alter von fünf Jahren und darunter) sollten nicht weniger als 1% des Bruttoinlandsproduktes betragen, damit diese Einrichtungen - sowohl für Kinder unter wie über drei Jahren - die aufgestellten Ziele erreichen.

Ziel 8: Ein Teil dieses Budgets sollte zur Entwicklung der Infrastruktur von Einrichtungen verwandt werden. Dieser Teil sollte mindestens 5% Ausgaben für Beratungs- und Unterstützungsleistungen beinhalten, einschließlich externer oder interner Weiterbildung, und mindestens 1% für Forschung und Aufsicht.

Ziel 9: Es sollte ein Investitionsprogramm für Bau und Renovierung geben, das sich auf die Ziele hinsichtlich Umgebung und Gesundheit bezieht.

Ziel 10: Wo Eltern für öffentlich finanzierte Einrichtungen bezahlen, sollten die Beiträge 15% des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens nicht überschreiten oder besser noch darunter liegen. Die Gebühren sollten sich nach dem Haushaltseinkommen, der Familiengröße und anderen relevanten Kriterien richten.

Die 7. Empfehlung der "Quality 2000"-Initiative enthält auch die Forderung nach einer besseren Finanzierung der vorschulischen Fremdbetreuung: Die Ausgaben sollten ähnlich hoch wie diejenigen für Grundschulkinder sein. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass alle Familien mit Kleinkindern Zugang zu qualitativ hochwertigen und "bezahlbaren" Betreuungsangeboten haben und zwischen verschiedenen wählen können, ohne dass Kostenfragen die entscheidende Rolle spielen. Rund 10% der Mittel sollten für Fort- und Weiterbildung des Personals, die Information und Beteiligung der Eltern, die Lizenzierung von Programmen und Einrichtungen, für Planung, Evaluation, Forschung und unterstützende Dienste verwendet werden.

Die Kosten für das Kinderbetreuungssystem sollen laut dieser Empfehlung gemeinsam von der Öffentlichkeit, den Eltern (einkommensabhängig), den Arbeitgebern, der Regierung und Organisationen auf kommunaler Ebene aufgebracht werden. Um die entsprechende Motivation zu schaffen, sollen Kosten-Nutzen-Vergleiche aufgestellt werden (z.B. könnte sich Nutzen längerfristig in niedrigeren Ausgaben für Sonderschulen, Strafvollzug oder Sozialhilfe zeigen). Die Mittel könnten auf verschiedene Art und Weise an Familien mit Kleinkindern - unter Berücksichtigung der Höhe des Familieneinkommens - vergeben werden: durch Voucher, durch direkte Zahlungen an die von der jeweiligen Familie ausgesuchten Einrichtung oder durch Steuererleichterungen.

Hinsichtlich des Nutzens einer qualitativ hochwertigen Fremdbetreuung liegen inzwischen viele Forschungsergebnisse aus den USA vor. Sie belegen, dass Kinder aus "guten" Kindertageseinrichtungen seltener in der Schule sitzen bleiben, seltener in Sonderschulklassen kommen, häufiger die Schule abschließen und häufiger weiterführende Schulen besuchen (Berrueta-Clement et al. 1984; Copple/Cline/Smith 1987; Schweinhart/Weikart 1997; Weikart 1989). Sie werden seltener arbeitslos und bedürfen seltener einer öffentlichen Unterstützung, verdienen später mehr und werden seltener delinquent bzw. kriminell (Berrueta-Clement et al. 1984; Schweinhart/Barnes/Weikart 1993; Schweinhart/Weikart 1997). Nach Schweinhart, Barnes und Weikart (1993) betrug für das Perry Preschool Project die Kosten-Nutzen-Relation $ 1 zu $ 7,16.

III. Ziele hinsichtlich Umfang und Arten von Einrichtungen

Die Fremdbetreuung soll laut dem Netzwerk Kinderbetreuung den ganzen Arbeitstag berufstätiger Eltern abdecken, wobei dies entweder durch ein Angebot oder durch die Kombination von zwei Angeboten erfolgen kann. Die Einrichtungen können ganz verschieden strukturiert sein und pädagogisch unterschiedlich arbeiten: "Der Begriff Vielfalt kann auf zahlreiche Arten ausgelegt werden: Altersspannen und wie sie gemischt werden; die tägliche oder wöchentliche Beteiligung von Eltern, Großeltern und anderen Betreuer/-innen; Leitungsstrukturen - etwa Kollektive; kombinierte Betreuungsformen - wie Tagesmütter, die auch Kindergärten nutzen; einfallsreiche Umgebung und Transportlösungen - besonders in ländlichen Gegenden; zusätzlich angegliederte Angebote - wie Erwachsenenbildung; und so weiter. Eine ideenreiche und vielfältige Einrichtung kann sich mit vielen Formen von Angeboten umgeben" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 16).

Ziel 11: Öffentlich bezuschusste Einrichtungen sollten Vollzeit entsprechende Plätze anbieten für:

  • mindestens 90% der Kinder zwischen drei und sechs Jahren und
  • mindestens 15% der Kinder unter drei Jahren

Ziel 12: Einrichtungen sollten Flexibilität in den Öffnungs- und Bringzeiten bieten, was die zeitliche Abdeckung der Arbeitszeit sowie des Arbeitsjahres einschließt, wenn Eltern dies verlangen.

Ziel 13: Es sollte eine Vielfalt von Angeboten geben, damit die Eltern auswählen können.

Ziel 14: Alle Einrichtungen sollten den Wert von Vielfalt positiv herausarbeiten. Sie sollten ein Angebot für Kinder wie Eltern bereithalten, das Vielfalt an Sprachen, Herkunft, Religion, Geschlecht und Behinderung anerkennt und fördert sowie Stereotype ablehnt.

Ziel 15: Alle Kinder mit Behinderungen sollten das Recht auf Zugang zu den gleichen Einrichtungen wie andere Kinder haben, allerdings mit einer angemessenen personellen Ausstattung und der Hilfe von Spezialisten/-innen.

Auch in der 1. Empfehlung der "Qualcity 2000"-Initiative wird die Vielfalt vorschulischer Einrichtungen und Programme als erstrebenswert betont - die aber alle von hoher Qualität sein sollten. So müsste die Zahl lizenzierter Programme vergrößert werden. Diese sollten auch sensibel für kulturelle Verschiedenartigkeit sein und den kulturellen Pluralismus wertschätzen. Pädagogische Experimentierfreude, die Suche nach neuen Organisationsformen und die Verknüpfung von Einrichtungen bzw. Programmen mit Netzwerken, unterstützenden Diensten und anderen Ressourcen der Gemeinde sollen gefördert werden.

IV. Bildungsziele

Bildungsangebote für Kleinkinder sollen laut dem Netzwerk Kinderbetreuung in der Gegenwart wirken und nicht auf die Schulzeit ausgerichtet sein. Auch Kinder unter drei Jahren sollen und können gebildet werden; die hierfür geeigneten Aktivitäten und Methoden sind jedoch nicht allgemein bekannt und müssten noch weiterentwickelt werden. Die pädagogische Arbeit kann auf ganz unterschiedliche Weise gestaltet werden: "Wir akzeptieren, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, inwieweit das Lernumfeld und die Bandbreite des Lehrplans strukturiert werden können; ob die Aktivitäten selbst gewählt oder angeleitet sein sollten; und in welchem Maß Erwachsene, die mit kleinen Kindern arbeiten, den Lernprozess aktiv unterstützen und in ihn eingreifen sollen. In einigen Einrichtungen wird der Schwerpunkt auf das unbehinderte freie Spiel und die freie Wahl der Kinder gelegt. Andere vertreten einen stärker didaktischen Ansatz. Wieder andere verfolgen einen projektorientierten Ansatz, der die komplexen Beziehungen und Fähigkeiten betont, die sowohl Eltern als auch Kinder einbringen müssen" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 19).

Ziel 16: Alle Gruppenangebote für kleine Kinder von null bis sechs Jahren, ob öffentlich oder privat, sollten abgestimmte Werte und Ziele haben, zu denen eine explizite und ausformulierte Bildungsphilosophie gehört.

Ziel 17: Die Bildungsphilosophie sollte von Eltern, Personal und anderen interessierten Gruppen entworfen und entwickelt werden.

Ziel 18: Die Bildungsphilosophie sollte weit gefasst sein und unter anderem folgende Punkte enthalten und befördern:

  • die kindliche Autonomie und ein Identitätskonzept;
  • gesellige soziale Beziehungen sowohl zwischen den Kindern als auch zwischen Kindern und Eltern;
  • Begeisterung für das Lernen;
  • linguistische und mündliche Fähigkeiten, zu denen auch sprachliche Vielfalt gehört;
  • mathematische, biologische, andere naturwissenschaftliche, technische und umweltbezogene Konzepte;
  • musikalischer Ausdruck und ästhetische Fähigkeiten;
  • Theater, Puppenspiel und Pantomime;
  • Bewegungserziehung und Körperbeherrschung;
  • Gesundheitserziehung, Nahrungsmittelkunde und Ernährung;
  • Aufmerksamkeit gegenüber dem jeweiligen Gemeinwesen

Ziel 19: Auf welche Art die Bildungsphilosophie in die Praxis umgesetzt wird, sollte explizit und ausführlich festgehalten sein. Einrichtungen sollten über ein Organisationsprogramm verfügen, das alle ihre Aktivitäten mit einschließt, auch den pädagogischen Ansatz, die Weiterentwicklung des Personals, die Gruppenzusammensetzungen, Aus- und Weiterbildungsanforderungen für das Personal, Raumnutzung und auch, wie finanzielle Mittel eingesetzt werden, um das Programm voranzutreiben.

Ziel 20: Die Erziehung und das Lernumfeld sollten die Familie jedes Kindes, sein Zuhause, seine Sprache, das kulturelle Erbe, seinen Glauben, seine Religion und sein Geschlecht widerspiegeln und wertschätzen.

Auch in der 2. Empfehlung der "Qualcity 2000"-Initiative wird betont, dass die Bildungsziele - definiert als zu erwartende spezifische Entwicklungsresultate - gemeinsam von Eltern, Fachkräften, Politikern/-innen und der Öffentlichkeit aufgestellt werden sollen. Die Bildungsziele sollten sowohl auf der örtlichen als auch auf der staatlichen und Bundesebene spezifiziert werden. Dabei müsse die Perspektive der Kinder im Mittelpunkt stehen, sind aber auch die örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen. Zugleich sollte in Modellprojekten, durch Evaluation und Forschung die Wissensbasis darüber erweitert werden, wie Kinder die erwünschten Entwicklungsresultate erreichen können.

Nach wissenschaftlichen Untersuchungen über die Qualität von Kinderbetreuung wirkt sich positiv aus, wenn die Fachkräfte konkrete Ziele hinsichtlich der Förderung der kognitiven, sozialen und Sprachentwicklung aufgestellt haben und durch ein kindzentriertes Curriculum bzw. einen Jahres- und Wochenplan sicherstellen, dass alle Erziehungsziele berücksichtigt werden und das pädagogische Angebot reichhaltig und vielfältig ist (Phillips/Howes 1987; Podmore 1993; Weikart 1989; Whitebook/Howes/Phillips 1990). Auch hat sich eine gewisse Strukturierung des Tagesablaufs mit einem ausgewogenen Verhältnis von Freispiel und angeleiteten Beschäftigungen bewährt: "Auf der einen Seite können die Kinder dann in einer angereicherten erzieherischen Umwelt ihre Bedürfnisse und Interessen ausleben, haben genügend Freiraum, etwas selbst zu erforschen, für sich oder mit anderen zu spielen und zu lernen. Sie können mit anderen Kindern interagieren, die als Verhaltensmodelle wirken sowie zum Messen und damit zur Entwicklung der Kräfte reizen. Auch können sie einzeln, zu zweit oder zu dritt mit den Fachkräften sprechen; Häufigkeit und Qualität dieser Interaktionen gelten als sehr wichtig für die kindliche Entwicklung. Auf der anderen Seite nehmen die Kinder an bildenden Aktivitäten teil, wobei ihnen auch hier Wahlmöglichkeiten gegeben werden können (Kleingruppen, Projektarbeit, offene Gruppen). Diese Beschäftigungen werden von den Fachkräften kindgemäß angeboten und sollten weder zu schwer noch zu leicht sein, so dass sie die Kinder nicht frustrieren bzw. langweilen. Sie sprechen alle Sinne an und umfassen alle Entwicklungsbereiche. So gibt es angeleitete Aktivitäten, die der kognitiven Stimulierung, dem Wissenserwerb und der Schulvorbereitung dienen, die (fein-)motorische Kompetenzen und kreative Fähigkeiten fördern, die Malen, Tanzen, Musizieren und Rollenspiel umfassen. Auch wird dem Erwerb kommunikativer Fertigkeiten und der interkulturellen Erziehung Bedeutung beigemessen" (Textor 1996a, S. 17). Durch Freispiel und Beschäftigungen werden Forschungsdrang, Selbsttätigkeit und entdeckendes Lernen gefördert. Die Welt wird für die Kinder aus eigener Anschauung und Erfahrung, durch Experimentieren und Probehandeln begreifbar.

In "guten" Kindertageseinrichtungen verstärken die Fachkräfte positive soziale Verhaltensweisen und fördern die Zusammenarbeit zwischen Kindern, nichtaggressive Formen der Konfliktbewältigung und die Entwicklung von Problemlösefertigkeiten (Clarke-Stewart 1998; Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Podmore 1993). Sie bemühen sich um die soziale Integration aller Kinder.

V. Ziele bezüglich des Personalschlüssels

Für das Wohl, die Entwicklung und das Lernen der Kinder ist die Qualität ihrer Beziehung zu den Betreuer/-innen besonders wichtig. Generell sollten nicht zu viele Kinder auf einen Erwachsenen kommen, wobei es aber schwer ist, bestimmte Richtzahlen vorzugeben: "Gruppengröße, Alterstrennung, Größe und Gestaltung des Gebäudes, die Art des Settings, die Zusammensetzung der Kinder (zum Beispiel der Anteil von Behinderungen oder Verhaltensauffälligkeiten), wie viele Stunden die Kinder eine Einrichtung besuchen, ob es sich um Wechselgruppen, Teilzeit- oder Ganztagesplätze handelt, das alles kann dazu beitragen, wie Personal-Kinder-Schlüssel bestimmt werden" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 21).

Ziel 21: Personalschlüssel für Gruppenbetreuung sollte die Ziele der Einrichtung und ihren Gesamtkontext widerspiegeln, sowie direkt mit dem Alter der Kinder und der Gruppengröße verknüpft sein. Die personelle Besetzung sollte üblicherweise über folgenden Zahlen liegen, diese aber nicht unterschreiten:

  • 1 Erwachsene/-r : 4 Plätze für Kinder unter 12 Monaten
  • 1 Erwachsene/-r : 6 Plätze für Kinder im Alter von 12-23 Monaten
  • 1 Erwachsene/-r : 8 Plätze für Kinder im Alter von 24-35 Monaten.
  • Erwachsene/-r : 15 Plätze für Kinder im Alter von 36-71 Monaten.

Das Verhältnis in der Familientagespflege sollte "1 Erwachsene/-r : 4 Plätze für nicht schulpflichtige Kinder" nicht unterschreiten. Die eigenen Kinder der Tagespflegefamilie sollten mit eingerechnet sein.

Ziel 22: Mindestens ein Zehntel der wöchentlichen Arbeitszeit sollte ohne Kontakt zu den Kindern ablaufen und der Vorbereitung und Weiterbildung vorbehalten sein.

Ziel 23: Angemessene Ersatzkräfte sollten jederzeit verfügbar sein, um die Personalschlüssel aufrechtzuerhalten.

Ziel 24: Zeit, die das Personal mit verwaltungstechnischen, häuslichen oder hausmeisterlichen Tätigkeiten zubringt, sollte eigens gerechnet werden, zusätzlich zu den mit den Kindern verbrachten Stunden.

Der hier genannte Personalschlüssel entspricht demjenigen, der von vielen amerikanischen Organisationen wie z.B. der National Association for the Education of Young Children oder der Child Welfare League of America gefordert werden (Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Young Children 1993, Januar-Heft, S. 65) vertreten: Die Gruppe sollte bei Säuglingen maximal sechs bis acht, bei Ein- und Zweijährigen sechs bis 12, bei Dreijährigen 14 bis 20 sowie bei Vier- oder Fünfjährigen 16 bis 20 Kinder umfassen. Auf eine Fachkraft sollten maximal vier Kinder unter zwei Jahren, sechs Zweijährige bzw. zehn Drei-, Vier- oder Fünfjährige kommen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass in kleinen Gruppen und bei einer guten Erwachsenen-Kind-Relation die soziale, kognitive und Sprachentwicklung der Kinder besser verlaufen (Clarke-Stewart 1998; Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Howes/Phillips/Whitebook 1992; Ruopp et al. 1979). Bei sehr jungen Kindern ist es besser, wenn sie in einer kleinen Gruppe von einer Fachkraft als in einer größeren Gruppe von zwei Fachkräften betreut werden: Im erstgenannten Fall wird ihr Bedürfnis nach einer zentralen Bezugsperson und engen Bindungen eher befriedigt (Pramling 1998).

In kleinen Gruppen gibt es mehr Informationsaustausch und mehr gemeinsame Aktivitäten zwischen Kindern und Fachkräften, mehr Anleitung und direkte Stimulierung, mehr qualitativ hochwertige Interaktionen und sichere Bindungen (Clarke-Stewart 1998; Hayes/Palmer/ Zaslow 1990; Ruopp et al. 1979). Positiv wirkt sich aus, wenn die Gruppe weder zu klein noch zu groß ist - im ersten Fall gibt es z.B. zu wenig Spiel- und Gesprächspartner, im zweiten Fall kommt es zu häufig vor, dass Kinder am Rand des Geschehens stehen, anderen Kindern nur zuschauen oder jüngere nachahmen (vgl. Howes/Phillips/Whitebook 1992).

VI. Ziele für Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung des Personals

Die Qualität der Kinderbetreuung hängt auch im hohen Maße von der Aus- und Fortbildung des Personals, seiner Unterstützung durch relevante Dritte und den Arbeitsbedingungen ab. Das Netzwerk Kinderbetreuung (1996) plädiert für ein "Baukastensystem", das den Erwerb aufeinander aufbauender Qualifikationen (auch berufsbegleitend oder in Berufspausen) ermöglicht. Ein hoher Lohn wird als Gewähr dafür gesehen, dass das Personal in den Einrichtungen selten wechselt (kein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf). Auch sollten mehr Männer eingestellt werden: "Wir halten das verstärkte Auftreten von direkt mit Kindern arbeitenden Männern in Einrichtungen für ein Mittel, geschlechtsstereotype Rollen in Frage zu stellen. Diese Arbeit der Männer dient dem Wohl der Kinder und ist eine Möglichkeit, eine verstärkte Anteilnahme von Vätern zu ermutigen" (a.a.O., S. 24).

Ziel 25: Alle qualifizierten Beschäftigten in Einrichtungen sollten mindestens einen national oder lokal festgelegten Tariflohn erhalten, keinesfalls weniger. Für umfassend ausgebildetes Personal sollte dieser Tariflohn dem von Lehrern/-innen vergleichbar sein.

Ziel 26: In öffentlichen Einrichtungen sollten mindestens 60% der direkt mit Kindern Beschäftigten über eine allgemein anerkannte Basisausbildung verfügen. Diese sollte mindestens drei Jahre dauern, ab dem Alter von 18 Jahren begonnen werden und sowohl Theorie als auch Praxis von Pädagogik und kindlicher Entwicklung beinhalten. Jede Art von Bildung sollte im Baukastensystem aufgebaut sein. Alle Beschäftigten (sowohl in öffentlichen Einrichtungen als auch in der Familientagespflege), die eine solche Ausbildung nicht vorweisen können, sollten ein Recht darauf haben, entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote zu besuchen, auch auf interner Grundlage.

Ziel 27: Alle Beschäftigten (sowohl in öffentlichen Einrichtungen als auch in der Familientagespflege), die mit Kindern arbeiten, sollten das Recht auf interne weiterführende Fortbildungen haben.

Ziel 28: Ob im öffentlichen oder im privaten Sektor, alle Beschäftigten sollten das Recht auf die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft haben.

Ziel 29: 20% der Beschäftigten in öffentlichen Einrichtungen sollten Männer sein.

Auch die "Qualcity 2000"-Initiative legt großen Wert auf die Beschäftigung qualifizierten Personals in Kindertageseinrichtungen. In der 4. Empfehlung wird gefordert, dass alle Fachkräfte lizenziert, also ihre Ausbildungsabschlüsse staatlich anerkannt sein sollten. Die Lehrer/-innen sollten eine "Educator License" (mindestens ein "Bachelor"-Abschluß in frühkindlicher Erziehung oder Entwicklungspsychologie, Praktikum, Nachweis der beruflichen Kompetenz), Einrichtungsleiter/-innen eine "Administrator License" ("Bachelor"- oder "Master"-Abschluß, Verwaltungskurse, Nachweis der Eignung) und Zweitkräfte eine "Associate Educator License" (mindestens 120 Unterrichtsstunden [Zeitstunden] über frühkindliche Entwicklung und Erziehung, Praktikum, Nachweis der benötigten Kompetenz) haben. Hilfskräfte sollten Zugang zum letztgenannten Ausbildungsgang haben.

In der 5. Empfehlung wird gefordert, dass die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte sowie ihre praktische Vorbereitung kind- und familienorientiert sein, die kulturelle und sprachliche Vielfalt respektieren, zu umfassenden Kenntnissen führen und benötigte Fertigkeiten fördern sollten. Höhere Qualifikationen müssten zu besserer Bezahlung führen. Insbesondere sollten die Ausbildungscurricula revidiert, mehr "Preservice"- und mehr "Inservice"-Training durchgeführt (insbesondere über das Beobachten von Kindern, das Erfassen von Entwicklungsfortschritten, die Beteiligung von Familien, die Arbeit mit behinderten Kindern und zur Entwicklung von Führungsfähigkeiten) und besondere Angebote zur Qualifizierung von Mentoren/-innen und Manager/-innen gemacht werden.

Amerikanischen Untersuchungen kann entnommen werden, dass eine gute Berufsausbildung wichtig ist: Die kognitive und soziale Entwicklung der Kinder verlaufen besser; diese werden mehr in Aktivitäten involviert und erfahren mehr Ansprache (Clarke-Stewart/Gruber 1984; Phillips/Howes 1987; Ruopp et al. 1979; Weikart 1989). Die Art und Dauer der vorausgegangenen Schulbildung sowie die Länge der Berufserfahrung sind hingegen eher zweitrangig (Clarke-Stewart 1998). Eine mittlere Berufsausbildung und -erfahrung scheint am besten zu sein (a.a.O.): Beispielsweise wurde bei einer besonders hohen Qualifikation eine zu akademische Orientierung (Betonung schulischer bzw. kognitiver Aktivitäten, Vernachlässigung der sozialen Entwicklung) und bei mehr als zehn Jahren Berufserfahrung eine Verschlechterung der Qualität der Arbeit festgestellt. Ferner zeichnen sich "gute" Tageseinrichtungen durch einen seltenen Personalwechsel aus (Kontos/Fiene 1987; Phillips/Howes 1987; Whitebook/Howes/Phillips 1990); insbesondere für Kinder unter drei Jahren ist Konstanz in der Person der Fachkraft von großer Bedeutung für die Bindungssicherheit.

VII. Ziele hinsichtlich Umgebung und Gesundheit

In Kindertageseinrichtungen sollen Kinder ein gesundes Essen erhalten; generell sollten ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden gefördert werden. Der Innen- und der Außenraumgestaltung kommen eine besondere Bedeutung zu: "'Raum ist Freiheit'. Das ist eine weitverbreitete Ansicht bezüglich entwicklungsrelevanter Bedürfnisse kleiner Kinder. Die Freiheit, ihre Umgebung drinnen wie draußen zu erforschen, sich frei zu bewegen und ausreichend Ruhe zu haben, ist wichtig für die motorische, soziale und intellektuelle Entwicklung von kleinen Kindern" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 26).

Ziel 30: Alle Einrichtungen, seien sie privat oder öffentlich, sollten nationalen und lokalen Gesundheits- und Sicherheitsansprüchen genügen.

Ziel 31: Umgebungsplanung und Raumaufteilung, inklusive Anlage der Gebäude, der Möblierung und Ausstattung, sollten die pädagogische Philosophie der Einrichtung widerspiegeln und die Ansichten von Eltern, Personal und anderen interessierten Gruppen mit einbeziehen.

Ziel 32: Es sollte üblicherweise drinnen wie draußen ausreichend Platz geben, damit die Kinder spielen, schlafen und die sanitären Anlagen nutzen können. Auch die Bedürfnisse von Eltern und Personal sollten befriedigt werden. Das bedeutet in der Regel:

  • einen Innenraum von wenigstens sechs Quadratmetern für jedes Kind unter drei Jahren und von wenigstens vier Quadratmetern für jedes Kind von drei bis sechs Jahren (Stauraum, Korridore und Durchgänge nicht eingerechnet);
  • direkter Zugang zu einem Außenraum von wenigstens sechs Quadratmetern pro Kind;
  • 5% zusätzlichen Innenraum zum Gebrauch für Erwachsene.

Ziel 33: In den Einrichtungen sollte es die Möglichkeit geben, Essen zuzubereiten. Es sollte ernährungsphysiologisch und kulturell angemessenes Essen geben.

Nach verschiedenen Forschungsergebnissen (Clarke-Stewart 1998) ist eine mittelgroße Fläche pro Kind am besten - bei zu viel Platz spielen z.B. die Kinder oft allein, bei zu wenig Platz stören sie sich gegenseitig, nehmen Aggressivität und Lautstärke zu. Die bloße Menge von Spielsachen spielt kaum eine Rolle. "Viel wichtiger waren eine kindgemäße Raumgestaltung und die Qualität vorhandener Spielmaterialien. Kinder entwickelten sich besser in Einrichtungen, die geschmackvoll, sauber und ordentlich wirkten, den kindlichen Interessen adäquate Spielecken hatten und über viele Arten von altersentsprechenden und entwicklungsfördernden Spielsachen und Materialien verfügten. Gab es z.B. eine gut ausgestattete Verkleidungskiste, wurden komplexere und längere Rollenspiele beobachtet" (Textor 1996a, S. 16). Auch wurden Erfahrungsräume im weiteren Umfeld der Kindertagesstätte erschlossen.

VIII. Ziele in Bezug auf Eltern und Gemeinwesen

Kindertageseinrichtungen sollen laut dem Netzwerk Kinderbetreuung mit Eltern zusammenarbeiten, diese über Fortschritte ihres Kindes, angebotene Aktivitäten, Verwendung der Mittel u.ä. informieren und ihnen große Mitbestimmungsrechte einräumen. Auch sind Kontakte zum Gemeinwesen wichtig: Beispielsweise können die Tagesstätten tagsüber oder an Wochenenden die Türen für junge und alte Menschen öffnen und so der Trennung der Generationen entgegenwirken. "Die Einrichtungen sollten mit der Nachbarschaft interagieren und sie darüber hinaus nutzen: zum Beispiel Schwimm- und Sporthallen nutzen; Ausstellungen, Museen, Parks und andere Sehenswürdigkeiten vor Ort besuchen; bei Brauchtumspflege oder der Organisation von Festen mitwirken; heimische Geschäfte bevorzugen; und die öffentlichen Verkehrsmittel vor Ort benutzen" (Netzwerk Kinderbetreuung 1996, S. 28). Auch sollten Kontakte zur Schule bestehen.

Ziel 34: Eltern sind in Einrichtungen für kleine Kinder Kooperationspartner/-innen und Teilhaber/-innen. Als solche haben sie ein Recht darauf, Informationen zu geben und zu erhalten sowie ihre Ansichten formell und informell kundzutun. In den Einrichtungen sollten Entscheidungen vollkommen partizipatorisch sein und Eltern, das gesamte Personal und wenn möglich die Kinder beteiligen.

Ziel 35: Einrichtungen sollten formelle und informelle Beziehungen zum Gemeinwesen unterhalten, zu den Kommunen oder Bezirken.

Ziel 36: Einrichtungen sollten bei ihrer Einstellungspolitik besonderen Wert darauf legen, Beschäftigte zu gewinnen, die die ethnische Vielfalt des lokalen Umfeldes widerspiegeln.

Die "Qualcity 2000"-Initiative betont in ihrer 3. Empfehlung die Bedeutung der Beteiligung von Eltern und Familien: Diese sollen vielfältige Gelegenheiten erhalten, sich aktiv in den Bildungsprogrammen und in der Erziehung ihrer Kinder zu engagieren. Eltern sollten als Partner betrachtet werden; die Fachkräfte müssten sie als Ihresgleichen betrachten, viel mit ihnen kommunizieren, ihre Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen sowie ihnen Kontrollfunktionen zusprechen. Ferner sollten Eltern Zugang zu adäquaten Informationen über verschiedene Bildungsprogramme und Betreuungsangebote haben, so dass sie bewusst und überlegt das für ihr Kind bzw. ihre Familie geeignete auswählen können.

Nach wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ist eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung durch eine intensive Kommunikation, häufige Kontakte und eine gute Kooperation zwischen Fachkräften und Eltern gekennzeichnet (Endsley/Minish/Zhou 1993; Marsh 1995; Podmore 1993). "Gute" Kindertageseinrichtungen legen viel Wert auf die wechselseitige Öffnung und einen intensiven Informationsaustausch. Auch eröffnen sie Eltern Möglichkeiten der Mitarbeit und Mitbestimmung. "Ferner wurde ermittelt, wie positiv sich eine gute Elternarbeit auswirkte, wenn diese die Familienerziehung und das Wohlbefinden der Eltern verbesserte, zu eher kindorientierten Einstellungen und altersentsprechenden Verhaltensweisen führte sowie Eltern zu häufigerem Spielen mit ihren Kindern bewegte. Dadurch wurde die kindliche Entwicklung von den Fachkräften indirekt beeinflusst" (Textor 1996b, S. 12).

IX. Ziele hinsichtlich der Ausführung

Kindertageseinrichtungen sollten laut dem Netzwerk Kinderbetreuung Auskunft über die Kosten der Fremdbetreuung geben (möglichst als Pro-Kopf-Ausgaben) und Rechenschaft bezüglich der Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ablegen - eine Grundbedingung für ihre Vertrauenswürdigkeit. Auf diese Weise würde das Personal auch eine Vorstellung davon bekommen, was Kinderbetreuung an Kosten verursacht. Besonders wichtig ist, dass regelmäßig die Qualität der Erziehungsziele, des Curriculums und der pädagogischen Arbeit bewertet wird, aber auch die Entwicklung jedes einzelnen Kindes. Letzteres kann durch das Personal und/oder mit Hilfe der Eltern (z.B. im Gespräch) erfolgen. Auch Gruppenprozesse können bewertet werden. Neben der Selbst- und Teamevaluation oder der Bewertung der Einrichtung durch Eltern (z.B. anhand eines Fragebogens) empfiehlt das Netzwerk Kinderbetreuung (1996) die Fremdevaluation durch außenstehende Fachleute: "Koordinatoren/-innen, Inspektoren/-innen, Supervisoren/-innen, Berater/-innen oder Forscher/-innen können eine externe, bedeutsame Bewertung von Entwicklungen liefern. In manchen Einrichtungen wird besonderer Wert auf Forschung gelegt, und es entwickelten sich enge Beziehungen zu Forschungsinstitutionen vor Ort, um eine unabhängige und strenge kritische Analyse der Arbeit einer Einrichtung zu ermöglichen" (S. 30).

Ziel 37: Einrichtungen sollten in einem Jahresbericht oder mit anderen Mitteln offen zeigen, wie sie ihre Ziele erreichen und wie sie ihr Budget verwenden.

Ziel 38: In allen Einrichtungen sollte die Entwicklung der Kinder regelmäßig bewertet werden.

Ziel 39: Die Ansichten der Eltern und des Gemeinwesens sollten ein integraler Bestandteil des Bewertungsvorganges sein.

Ziel 40: Das Personal sollte regelmäßig seine Leistungen bewerten, sowohl anhand von objektiven Methoden als auch durch Selbstevaluation.

Insbesondere im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Programmen und Kindertageseinrichtungen betont auch die "Qualcity 2000"-Initiative immer wieder die Bedeutung von Selbst- und Fremdevaluation (z.B. 1. Empfehlung). Von der Analyse der pädagogischen Arbeit wird ebenfalls eine positive Auswirkung auf die Professionalisierung der Fachkräfte erwartet.

In der 2. Empfehlung wird betont, dass genau spezifiziert werden sollte, was für Entwicklungsresultate - bezogen auf alle Entwicklungsbereiche und Lernformen - in der Kleinkindbetreuung erwartet werden können. Dementsprechend sollte dann die pädagogische Praxis in den Einrichtungen gestaltet werden; alle Aktivitäten sollten so ausgewählt werden, dass sie die Entwicklung des individuellen Kindes fördern. Immer wieder müssten die Fortschritte des einzelnen Kindes evaluiert und dokumentiert werden (indem z.B. seine Arbeitsprodukte gesammelt und aufbewahrt werden).

Nach wissenschaftlichen Untersuchungen ist darüber hinaus für eine "gute" Kinderbetreuung unerlässlich, dass die Einrichtung eine herausragende Leitung hat, die über Führungs- und Managementfähigkeiten verfügt (Cost, Qualcity, and Outcomes Study Team 1995; Podmore 1994). In erfolgreich arbeitenden Einrichtungen identifizieren sich alle Mitarbeiter/-innen mit dem pädagogischen Konzept (Werte- und Zielkonsens), planen gemeinsam die pädagogische Arbeit und besondere Aktivitäten, fühlen sich im Team wohl und sind mit ihrem Beruf zufrieden (Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Marsh 1995).

Schlusswort

"Qualitativ hochwertige Einrichtungen für kleine Kinder sind ein notwendiger Teil der ökonomischen und sozialen Infrastruktur. Gleichberechtigter Zugang ist unerlässlich für die Chancengleichheit von Männern und Frauen, für das Wohl von Kindern, Familien und Gemeinwesen sowie für eine produktive Wirtschaft", schreibt das Netzwerk Kinderbetreuung (1996, S. 32). Wenn man die Situation der Kinderbetreuung in Deutschland und anderen EU-Ländern anhand der genannten Qualitätskriterien untersuchen würde, würde deutlich werden, dass diese nur zum Teil erreicht wurden (vgl. Fthenakis/Textor 1998). In der Bundesrepublik fehlt z.B. eine länderübergreifende Politik, die zu einer Vereinheitlichung der unterschiedlichen Kindertagesstättengesetze und entsprechenden Verordnungen der Länder sowie zu allgemein akzeptierten Qualitätskriterien führen könnte. Anstatt dass mehr Geld für die Bildung, Erziehung und Betreuung für Kleinkinder zur Verfügung gestellt wird, werden die Mittel fast überall gekürzt. Standards werden ausgesetzt oder verschlechtern sich, obwohl nach allen Empfehlungen und Forschungsergebnissen z.B. kleinere Gruppen für Kleinkinder (insbesondere Säuglinge) und eine höherwertige Qualifizierung des Personals notwendig wären. Immer neue pädagogische Ansätze werden entwickelt, ohne dass ihre Wirkungen auf Kinder wissenschaftlich untersucht werden oder sie gar lizenziert würden. Erst ansatzweise werden Selbst- oder Fremdevaluation von Kindertageseinrichtungen möglich und von den Fachkräften akzeptiert (vgl. Kronberger Kreis 1998; Tietze/Schuster/Roßbach 1997). Elternmitarbeit und -mitbestimmung lassen in vielen Einrichtungen weiterhin zu wünschen übrig.

Alle Bürger/innen sollten sich deshalb dafür einsetzen, dass qualitativ hochwertige Kindertagesstätten geschaffen und die dafür benötigten Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es gilt noch immer folgende Aussage aus dem älteren, in diesem Artikel nicht ausführlich dargestellten Aktionsprogramm "Who cares for America's children. Child care policy for the 1990s" von dem "Panel on Child Care Policy", dem "Committee on Child Development Research and Public Policy", der "Commission on Behavioral and Social Sciences and Education" und dem "National Research Council": "Die Verantwortung für die Befriedigung des Kinderbetreuungsbedarfs der Nation sollte von Individuen, Familien, Wohlfahrtsorganisationen, Arbeitgebern, Kommunen und der Regierung auf allen Ebenen geteilt werden" (Hayes/Palmer/Zaslow 1990, S. 291). Diese Aufforderung gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland.

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Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de