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Zitiervorschlag

Gekürzte Fassung eines Aufsatzes aus: Kita-aktuell 2001, Heft 2, S. 28 ff.

Armut und Benachteiligung im Vorschulalter - Über die frühen Folgen von Armut und Handlungsansätze in der Kita-Arbeit

Beate Hock, Gerda Holz und Werner Wüstendörfer


Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) veröffentlichte im Oktober 2000 unter dem Titel "Gute Kindheit - Schlechte Kindheit" seinen Sozialbericht zum Thema "Armut bei Kindern und Jugendlichen". Grundlage des Berichtes ist eine dreijährige, im Auftrag der AWO durchgeführte Studie, des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS), Frankfurt am Main. Im folgenden stellen die AutorInnen der Studie, die sich u.a. umfassend mit den frühen Folgen von Armut auseinandergesetzt hat, für die Arbeit in Kindertagesstätten relevante Ergebnisse in Auszügen vor.

Hohe Armutsbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen

Anlass für die Untersuchung war, dass Armut bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland kein marginales Phänomen mehr ist. Vielmehr weisen die unter 18jährigen im Vergleich zu anderen Altersgruppen die höchste Armutsbetroffenheit auf. Schon zu Beginn der neunziger Jahre wurde deshalb der Begriff der "Infantilisierung der Armut" geprägt.

Im Jahr 1998 waren insgesamt etwa drei Millionen Personen auf Sozialhilfe angewiesen, darunter etwa eine Million Kinder und Jugendliche. Hinzu kommt eine etwa gleich große Gruppe, die mit ihrer Familie unterhalb der Sozialhilfegrenze lebt, aber aus verschiedenen Gründen ihren Sozialhilfeanspruch nicht realisiert.

Neuere Analysen gelangen zu dem Ergebnis, dass im Jahr 1998 etwa jedes siebte Kind respektive jeder siebte Jugendliche in einer Familie lebte, die mit weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Einkommens auskommen muss und damit als "(einkommens-)arm" bezeichnet wird.

Kinderarmut lässt sich nicht nach einfachen Denkschablonen bestimmten "Problemgruppen" zuordnen. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Bezüglich der sozialräumlichen und sozialstrukturellen Verteilung der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen gilt:

  • Arme Kinder und Jugendliche gibt es in allen Regionen, auch in ländlichen Gegenden. In größeren Städten ist jedoch eine deutliche Häufung festzustellen. Armut tritt also auch außerhalb von Sozialen Brennpunkten und nicht nur räumlich begrenzt auf.
  • Arme Kinder und Jugendliche leben überwiegend in "vollständigen" Familien beziehungsweise mit beiden (leiblichen) Eltern. Es sind also - trotz höherer Armutsgefährdung - nicht nur Kinder aus Ein-Eltern-Familien von Armut betroffen.
  • Kinder aus kinderreichen Familien sind zwar deutlich armutsgefährdeter, aber auch viele Kinder und Jugendliche aus Kleinfamilien fallen unter die Armutsgrenze.
  • Auch in armen Familien sind die Väter mehrheitlich berufstätig. Ist der Vater in einer "vollständigen" Familie jedoch arbeitslos, steigt die Armutsgefährdung für die Kinder deutlich an.
  • Armutsgefährdet sind besonders Kinder und Jugendliche ohne deutschen Pass. Dennoch stellen deutsche Kinder die Mehrzahl der Armutsgruppe.
  • Ein unsicherer ausländerrechtlicher Aufenthaltsstatus führt extrem häufig zu Armut. Insgesamt spielt diese Gruppe unter den vielen armen Kindern und Jugendlichen aber eine zahlenmäßig geringere Rolle.

Forschungsdefizite

Die bisherige Armutsforschung weist erhebliche Defizite auf. Sie hat "Kinderarmut" beziehungsweise die Problemlagen von Kindern und Jugendlichen, die in armen Familien aufwachsen, nur am Rande gestreift. Kinder und Jugendliche wurden als "Armutsrisiko", als Mitbetroffene oder gar nicht thematisiert. Dass der Armut bei Kindern und Jugendlichen ein eigenes Gewicht zukommt, welches wesentlich geprägt ist von den Verteilungsstrukturen innerhalb der Familien, den individuellen Potentialen der Eltern sowie den gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, blieb ebenso unbeachtet. Gleiches gilt für die Fragen, wie Armut auf Kinder und Jugendliche wirkt, welche mittel- und langfristigen Perspektiven sich armen Minderjährigen eröffnen und welche Chancen der Bewältigung diese besitzen. Die AWO-ISS-Studie befasst sich genau mit diesen vernachlässigten Fragestellungen.

Frühe Folgen - Armut und Benachteiligung im Vorschulalter

Die Fragestellung nach den frühen Folgen von Armut beziehungsweise das Thema Armut im Vorschulalter hat mehrere Wurzeln. Zuallererst kam mit der Recherche und der Auswertung vorliegender Untersuchungen (vgl. Hock/Holz 1998) die Einsicht, dass Kenntnisse in bezug auf die Bedeutung und die Folgen von Armut für die jüngsten Altersgruppe, vor allem Vorschulkinder, fehlen. Während Schüler- und Jugendlichenbefragungen auch Benachteiligung, Ausgrenzung und Armut zum Thema haben und wichtige Forschungserkenntnisse liefern, liegen für Deutschland bislang keine systematischen Erkenntnisse zu Armutsfolgen im frühen Kindesalter vor. Hinzu kam, dass ein großer Teil (über ein Drittel) der von der AWO betreuten Kinder und Jugendlichen in diesem Alter ist, was wohl auch für andere Träger/Wohlfahrtsverbände gelten dürfte. Weiterhin wiesen vom ISS durchgeführte Expertenbefragungen auf schon frühzeitig einsetzende Benachteiligungen infolge familiärer Armut hin. Nicht zuletzt sprach auch die in dieser Altersgruppe hohe Armutsbetroffenheit dafür, sich auf Armut von Vorschulkindern zu konzentrieren.

Im Rahmen des Projektes wurde deshalb 1998/1999 eine zweigeteilte Erhebung zur Lebenssituation von Vorschulkindern durchgeführt. Im ersten Untersuchungsabschnitt wurde der Fragestellung qualitativ anhand von Fallbeispielen nachgegangen (vgl. Hock/Holz/Wüstendörfer 2000a ). Im zweiten Teil (vgl. Hock/Holz/Wüstendörfer 2000b) wurde über eine Klientendatenerhebung in 60 Kindertagesstätten der AWO die Lebenssituation von etwa 900 armen und nicht-armen sechsjährigen Kindern untersucht. Untersuchungsleitend war die Frage, wie sich Armut im Vorschulalter auf die Entwicklung der Kinder auswirkt. Hierbei sollten die Lebenslage und die Entwicklung der armen Kinder mit denen der ökonomisch bessergestellten Heranwachsenden verglichen werden. Ergänzend dazu wurden Daten zu den sozialstrukturellen Rahmenbedingungen der Kinder erhoben und ausgewertet.

Um zu bestimmen, welche Kinder in einem "armen" und welche in einem "nicht-armen" Haushalt leben, wurde in der Erhebung auf die gängigen wissenschaftlichen (Einkommensarmuts-)Konzepte zurückgegriffen: Zum einen wurde auf die politische Armutsgrenze (=Sozialhilfegrenze) Bezug genommen, zum anderen auf die 50-Prozent-Grenze relativer Einkommensarmut. Basierend auf diesen Definitionen beziehungsweise Grenzziehungen bestand die Untersuchungsgruppe dieser Studie zu 26 Prozent aus armen und zu 74 Prozent aus nicht-armen Kindern.

Zur Erfassung der konkreten Lebenslage der untersuchten Kinder wurden auf der Basis des entwickelten kindgerechten Armutskonzeptes verschiedene Merkmale der kindlichen Entwicklung und Versorgung anhand der vier zentralen kindorientierten Lebenslagedimensionen, materielle Versorgung, kulturelle, soziale Kompetenzen sowie gesundheitliche Situation, erhoben (vgl. nachstehende große Übersicht). Nachfolgend werden die zentralen Ergebnisse und Erkenntnisse dargestellt.

Armut und Sozialstruktur

Die Armutsforschung hat wiederholt nachgewiesen, dass bestimmte soziale Gruppen (zum Beispiel Alleinerziehende, Arbeitslose) einem sehr hohen Armutsrisiko unterliegen. Ein weiterer wichtiger Befund ist die sozialräumliche Konzentration von Armut. Selten werden diese Daten zu Sozialstruktur und Sozialraum jedoch aus der Kindperspektive aufbereitet. Dies soll im folgenden mit Blick auf die untersuchten Vorschulkinder geschehen.

Zunächst einmal gilt: Kinderarmut ist in allen Kommunen, die in die Studie einbezogen waren, vorzufinden. Die armen Kinder leben jedoch im Vergleich zu den nicht-armen signifikant häufiger in Großstädten und in "Sozialen Brennpunkten". Je größer die Gemeinde ist, aus der die untersuchten Vorschulkinder kommen, desto höher ist der Armutsanteil: In Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von weniger als 20.000 liegt die Armutsquote bei etwa 18 Prozent, bei Kommunen mittlerer Größe (zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern) liegt die Quote schon bei etwa 27 Prozent. In größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern schließlich erreicht die Armutsbetroffenheit der untersuchten Vorschulkinder schon fast ein Drittel. Die Befunde zum Einfluß der sozialräumlichen Herkunft auf die Armutsbetroffenheit von Kindern im Vorschulalter decken sich mit den bisherigen allgemeinen Befunden höherer Armutsbetroffenheit in Großstädten und in "Sozialen Brennpunkten" (vgl. zum Beispiel Dangschat 1996).

Die untersuchten armen Vorschulkinder stammen deutlich häufiger als nicht-arme Kinder aus Ein-Eltern-Familien sowie aus Familien mit drei und mehr Kindern. Die dominante Lebensform ist jedoch bei allen Kindern - ob arm oder nicht-arm - die traditionelle "vollständige" Familie: 80 Prozent der nicht-armen Kinder leben mit beiden leiblichen Eltern zusammen und immerhin noch fast 60 Prozent der armen Kinder. Von den anderen Lebensformen haben vor allem zwei eine größere Bedeutung: zum einen die Mutter-Kind(er)-Familie, zum anderen die Mutter-Kind(er)-Stiefvater-Familie. Erstere kommt bei den armen Kindern mit etwa einem Viertel (25 Prozent) am zweithäufigsten vor. Auch bei den nicht-armen Kindern steht sie von der Bedeutung her an zweiter Stelle, allerdings trifft diese Familienform nur auf rund ein Zehntel der Kinder (neun Prozent) zu. Die drittwichtigste Lebensform, das Zusammenleben mit der Mutter und deren Partner/einem Stiefvater, betrifft mehr als jedes zehnte arme Kind und etwa jedes zwanzigste nicht-arme Kind.

Arbeitslosigkeit, aber auch Erwerbsunfähigkeit und das Fehlen einer Arbeitserlaubnis führen zu einem sehr hohen Armutsrisiko - diesen allgemeinen Befund bestätigen die Ergebnisse der Erhebung "Armut im Vorschulalter" sehr eindrücklich: Fast alle Väter (96 Prozent) der nicht-armen Vorschulkinder sind berufstätig, dagegen ist es unter den Vätern der armen Kinder nur gut die Hälfte (54 Prozent). Bei den Müttern der nicht-armen Kinder ist die Erwerbsquote mit gut 60 Prozent ebenfalls sehr hoch im Vergleich zu den Müttern der armen Kinder, die nur zu rund einem Fünftel (23 Prozent) berufstätig sind. Insbesondere die Berufstätigkeit beider Eltern reduziert also das Armutsrisiko erheblich.

Neben dem Haushaltstypus und der Erwerbstätigkeit der Eltern ist die Nationalität ein weiterer Faktor, der das Armutsrisiko der Kinder und ihrer Familien beeinflußt. So ist die Armutsquote von Kindern ohne deutschen Paß mit 43 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Kindern (20 Prozent). Während die Armutsquoten der Vorschulkinder mit EU-Staatsbürgerschaft und die der türkischen Kinder nur leicht über dem Durchschnitt liegen, haben vor allem Kinder aus dem früheren Jugoslawien und Kinder aus anderen als den bisher genannten Herkunftsländern sehr hohe Armutsquoten. Das Armutsrisiko von Vorschulkindern ohne deutschen Paß hängt vor allem von der Sicherheit des jeweiligen Aufenthaltsstatus ihrer Familie ab.

In einem weiteren Untersuchungsschritt wurde der Frage nachgegangen, welche Folgen die (sehr ungleich verteilte) familiäre Armut auf die Entwicklung und Lebenschancen der Kinder im Vorschulalter hat. Des weiteren ist von Interesse, in welchen Lebensbereichen sich die familiäre Armut beim Kind äußert. Die Befunde zu diesen Fragestellungen werden im folgenden Kapitel dargestellt.

Unterschiede zwischen armen und nicht-armen Kindern in einzelnen Lebensbereichen

Anhand der vier zentralen (kindorientierten) Dimensionen der Lebenslage von Kindern wird im folgenden analysiert, was bei den armen Kindern ankommt und welche Unterschiede zwischen armen und nicht-armen Kindern im Vorschulalter bestehen.

Untersuchte (Lebens-)Bereiche:

(1) Materielle Situation des Haushalts ("familiäre Armut")
(2-5) Dimensionen der Lebenslage des Kindes
(2) Materielle Versorgung des Kindes
Grundversorgung, d.h. Wohnen, Nahrung, Kleidung; materielle Partizipationsmöglichkeiten
(3) "Versorgung" im kulturellen Bereich
z.B. kognitive Entwicklung, sprachliche und kulturelle Kompetenzen, Bildung
(4) Situation im sozialen Bereich
soziale Kontakte, soziale Kompetenzen
(5) Psychische und physische Lage
Gesundheitszustand, körperliche Entwicklung

Im Bereich der Grundversorgung weisen 40 Prozent der armen gegenüber 15 Prozent der nicht-armen Kinder Mängel auf. Am deutlichsten äußert sich familiäre Armut hier im verspäteten und unregelmäßigen Zahlen von Essensgeld und sonstigen Beiträgen für Kindertagesstättenaktivitäten. Häufig kommt es auch vor, dass arme Kinder hungrig in die Einrichtung kommen und dass dem Kind die körperliche Pflege fehlt. Relativ selten dagegen ist das Fehlen notwendiger Kleidung.

Defizite im Bereich "Grundversorgung" bei armen und nicht-armen Kindern

Aspekt
Arme Kinder
Nicht-arme
Kinder
Essensgeld u. ä. wird nicht regelmäßig gezahlt (regelmäßig anfallende Kosten).
31 %
9 %
Kosten für Ausflüge u. ä. werden nicht ohne weiteres gezahlt* (unregelmäßig anfallende Kosten).
27 %
12 %
Das Kind kommt öfters hungrig in die Einrichtung.
16 %
5 %
Das Kind ist ungepflegt/körperlich vernachlässigt.
15 %
5 %
Das Kind nimmt aus finanziellen Gründen nicht am Mittagessen teil. 6 %
2 %
Das Kind hat nicht die notwendige Kleidung (z. B. Winterstiefel).
4 %
< 1 %

Der genaue Wortlaut der Abfrage und die den Fachkräften gegebenen Erläuterungen sind im Fragebogen in Band 4, Anhang A, nachzulesen.

Quelle: "Armut im Vorschulalter" 1999, Berechnungen des ISS.

Mehr als doppelt so häufig wie nicht-arme Kinder weisen arme Kinder Einschränkungen beziehungsweise Auffälligkeiten im kulturellen Bereich auf: 36 Prozent der armen Kinder versus 16 Prozent der nicht-armen Kinder sind mit Blick auf ihr Spielverhalten auffällig, 38 Prozent versus 16 Prozent bezüglich ihres Sprachverhaltens und schließlich 34 Prozent versus 18 Prozent mit Blick auf ihr Arbeitsverhalten. Weist ein Kind in einem der drei soeben genannten "kulturellen" Bereiche Einschränkungen auf, so macht dies den regulären Übertritt in die Regelschule deutlich unwahrscheinlicher. Arme Kinder, die ohnehin seltener den Übertritt in die Regelschule "regulär" mit sechs Jahren vollziehen (69 Prozent der armen Kinder versus 88 Prozent der nicht-armen Kinder), treten weniger häufig regulär in die Regelschule über, wenn sie in mehr als einem der Unterbereiche eingeschränkt beziehungsweise auffällig sind. Bei den nicht-armen Kindern nimmt die Wahrscheinlichkeit des Regelschulbesuchs mit der Anzahl der Auffälligkeiten beziehungsweise Einschränkungen stetig ab. Ist ein armes Kind in mindestens zwei der drei Bereiche eingeschränkt, so liegt die Wahrscheinlichkeit des regulären Eintritts in die Regelschule bei 38 Prozent. Die nicht-armen Kinder mit ähnlichen "kulturellen Auffälligkeiten" treten noch zu über der Hälfte (55 Prozent) regulär in die Regelschule über.

Die Zahlen verdeutlichen: Arme Kinder werden nicht nur insgesamt häufiger als nicht-arme Kinder vom Schulbesuch zurückgestellt, sondern auch bei vergleichbarer Ausgangslage beziehungsweise dem gleichen Maß an "Auffälligkeiten" haben sie geringere Chancen für einen regulären Übertritt in die Regelschule als nicht-arme Kinder.

Arme Kinder sind nicht nur im Bereich der Grundversorgung und im kulturellen Bereich, sondern auch im sozialen Bereich deutlich häufiger eingeschränkt beziehungsweise auffällig als nicht-arme Kinder (36 versus 18 Prozent). Arme Kinder suchen zum Beispiel weniger häufig den Kontakt zu anderen Kindern in der Kindertagesstätte, nehmen weniger aktiv am Gruppengeschehen teil, äußern seltener ihre Wünsche und sind weniger wißbegierig als nicht-arme Kinder. Zugleich ist eine beginnende Ausgrenzung zu beobachten: So werden arme Kinder häufiger als nicht-arme Kinder von den anderen Kindern in der Kindertagesstätte gemieden.

Auch in bezug auf ihre Gesundheit beziehungsweise körperliche Entwicklung weisen arme Kinder häufiger Einschränkungen beziehungsweise Auffälligkeiten als nicht-arme Kinder auf. Hier ist jedoch der Unterschied zwischen armen und nicht-armen Kindern von allen Bereichen am geringsten ausgeprägt. Arme Kinder haben häufiger als nicht-arme Kinder gesundheitliche Probleme beziehungsweise sind in ihrer körperlichen Entwicklung zurückgeblieben. Hinsichtlich chronischer Erkrankungen und motorischer Entwicklung gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Welche Faktoren sind es, die die Lebenslage des Kindes in den untersuchten Bereichen beeinflussen? Dieser wichtigen Frage wurde auf Basis des Datenmaterials mit einem speziellen statistischen Verfahren nachgegangen. Der "stärkste" Faktor - und damit am bedeutsamsten für das Risiko des Kindes, "Auffälligkeiten" beziehungsweise Defizite zu entwickeln - ist gemäß dieser Analyse das Ausmaß der von der Familie gemeinsam durchgeführten Aktivitäten. Als zweitstärkster Faktor erwies sich die Armutssituation der Familie: Sowohl bei den armen Kindern mit gemeinsamen Aktivitäten am Wochenende wie bei den Kindern ohne solche Aktivitäten gehen mit der Armutssituation eine höhere "Auffälligkeit" beziehungsweise vermehrte Einschränkungen einher.

Die von der Familie gemeinsam durchgeführten Aktivitäten können als ein Indikator für die Kindzentriertheit oder Zuwendung zum Kind in der Familie betrachtet werden. Diese Zuwendung zum Kind scheint materiell defizitäre Familienbedingungen - insbesondere für Kinder im Vorschulalter - zum Teil zu kompensieren.

Die ungünstigste Konstellation liegt entsprechend dann vor, wenn materielle Defizite mit geringer Kindzentriertheit beziehungsweise wenig gemeinsamen familiären Aktivitäten einhergehen. Die beiden Variablen "Kindzentriertheit" und "Armut" sind nach dieser Analyse die entscheidenden Einflußgrößen in bezug auf die Anzahl der "Auffälligkeiten" beziehungsweise Einschränkungen eines Kindes.

Wohlergehen, Benachteiligung oder multiple Deprivation - der umfassende Blick auf die kindliche Lebenslage

Während sich die obige Analyse auf einzelne Lebensbereiche und den Vergleich von armen mit nicht-armen Kindern konzentrierte, steht im folgenden der umfassende Blick auf die kindliche Lebenssituation im Mittelpunkt. Dazu wurden die empirischen Befunde zu den vier Dimensionen der Lebenslage von Kindern im Vorschulalter zu einem Lebenslagenindex zusammengefaßt, der folgende Lebenslagetypen enthält:

Von "Wohlergehen" wird dann gesprochen, wenn in bezug auf die zentralen (Lebenslage-) Dimensionen (siehe oben) aktuell keine Einschränkungen beziehungsweise "Auffälligkeiten" festzustellen sind, das Kindeswohl also gewährleistet ist.

Eine "Benachteiligung" liegt dann vor, wenn in einigen wenigen Bereichen aktuell Einschränkungen beziehungsweise "Auffälligkeiten" festzustellen sind. Das betroffene Kind kann in bezug auf seine weitere Entwicklung als eingeschränkt beziehungsweise benachteiligt betrachtet werden.

Von "multipler Deprivation" schließlich wird dann ausgegangen, wenn das Kind in mehreren zentralen Lebens- und Entwicklungsbereichen eingeschränkt beziehungsweise "auffällig" ist. Das Kind entbehrt in mehreren wichtigen Bereichen die notwendigen Ressourcen, die eine positive Entwicklung wahrscheinlich machen.

Die Verteilung der Lebenslagentypen wird im folgenden für arme und nicht-arme Kinder untersucht. Dabei ist insbesondere von Interesse, welche Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen, um das Wohlergehen eines Kindes zu gewährleisten.

Von allen Kindern im Vorschulalter der Untersuchungsgruppe leben 40 Prozent im Wohlergehen, bei 40 Prozent muß die Lebenssituation als benachteiligend und bei 20 Prozent als multipel deprivierend charakterisiert werden. Das heißt, dass bei mindestens 20 Prozent aller Kinder aufgrund der umfassenden "Auffälligkeiten" beziehungsweise Einschränkungen von einer starken Beeinträchtigung der weiteren Entwicklung und der Zukunftschancen ausgegangen werden muß.

Wird die Verteilung der Lebenslagetypen getrennt für arme und nicht-arme Kinder (vgl. Tab. S. 8) betrachtet, so wird deutlich, dass arme Kinder auch und gerade mit Blick auf die gesamte Lebenslage des Kindes bereits im Vorschulalter "arm dran" sind: Während nur knapp ein Viertel (24 Prozent) der armen Kinder in keinem der vier zentralen Lebenslagenbereiche benachteiligt ist (Wohlergehen), ist es unter den nicht-armen Kindern fast die Hälfte (46 Prozent). Benachteiligt, also in ein oder zwei der vier zentralen Lebenslagenbereiche eingeschränkt beziehungsweise auffällig, sind etwa 40 Prozent der armen und nicht-armen Kinder. Als mehrfach (multipel) depriviert sind - aufgrund einer Benachteiligung in mindestens drei der vier zentralen Lebensbereiche - gut ein Drittel der armen Kinder (36 Prozent) und etwa jedes siebte bis achte nicht-arme Kind (14 Prozent) zu bezeichnen.

Es wird auch an diesen Zahlen deutlich, dass Armut zwar ein wichtiger Faktor ist, der die Lebenslage des Kindes bestimmt, die Lebenssituation der Kinder aber auch von anderen Faktoren beeinflußt wird. Innerhalb der Gruppe wie in der Vergleichsgruppe der nicht-armen Kinder gibt es eine große Variationsbreite an Lebenslagen.

Im weiteren werden zwei Gruppen nach ihrer Zusammensetzung gesondert analysiert: die Gruppe der Kinder, deren Lebenslage als multipel deprivierend bezeichnet werden muß, und die Untergruppe der armen Kinder, die im Wohlergehen leben.

Bei der Analyse der Gruppe der multipel deprivierten Kinder ist insbesondere von Interesse, aus welchen Familien diese Kinder kommen. Besonders deprivationsgefährdet sind:

  • Kinder aus nicht-deutschen Familien, darunter insbesondere Kinder aus Familien mit ungesichertem Aufenthaltsstatus und Kinder, deren Eltern kein Deutsch sprechen
  • Kinder aus armen Familien
  • Kinder aus Familien, in denen die Väter arbeitslos sind
  • Kinder aus Familien mit drei und mehr Kindern
  • Kinder aus Ein-Eltern-Familien

Die Merkmale der Kinder und ihrer Familien, die deprivationsgefährdet sind, sind vergleichbar mit den Merkmalen, die das Risiko erhöhen, arm zu sein.

Bei der zweiten näher untersuchten Gruppe, der Untergruppe der Kinder, die trotz Armut im Wohlergehen leben, wird der Frage nachgegangen, welche Einflußfaktoren bei armen Kindern das Wohlergehen begünstigen. Folgende Voraussetzungen fördern das Wohlergehen der armen Kinder:

  • Deutschkenntnisse auf seiten mindestens eines Elternteils
  • Keine Überschuldung der Familie
  • Keine beengten Wohnverhältnisse der Familie
  • Gutes Familienklima (keine regelmäßigen Streitigkeiten)
  • Regelmäßige gemeinsame Aktivitäten der Familie

Auch mit Blick auf die gesamte Lebenslage des Kindes erweist sich also unter anderem das Ausmaß der gemeinsamen familiären Aktivitäten als ein wichtiger Faktor für die förderliche Entwicklung des Kindes im Vorschulalter. Dies gilt für arme, aber auch für nicht-arme Kinder.

Benachteiligung und professionelle Unterstützung

In welchem Umfang werden benachteiligte und multipel deprivierte sowie arme Kinder und ihre Familien professionell unterstützt? Insgesamt erhalten etwa ein Fünftel aller untersuchten Kinder beziehungsweise ihre Familien professionelle Unterstützung neben der Betreuung in der Kindertagesstätte. Rund 60 Prozent dieser professionellen Unterstützung erhalten die Kinder direkt, zum Beispiel durch Frühförderung. Die übrigen Unterstützungsmaßnahmen richten sich an die Familie insgesamt, wie beispielsweise Sozialpädagogische Familienhilfe oder Schuldnerberatung.

Der Blick auf die Hilfen, differenziert nach den Lebenslagetypen, zeigt: 15 Prozent der Kinder, die im Wohlergehen leben, erhalten professionelle Unterstützung, 34 Prozent der benachteiligten Kinder und 57 Prozent der multipel deprivierten Kinder (vgl. folgende Tab.). Das bedeutet zunächst, dass diejenigen Kinder und ihre Familien, die aufgrund der kindlichen Lebenslage besonders unterstützungsbedürftig erscheinen, tatsächlich deutlich häufiger professionelle Unterstützung erhalten als Kinder in einer besseren Lage. Es ist jedoch auch zu konstatieren, dass ein großer Teil derjenigen, die Unterstützungsbedarf haben, keine Unterstützung erhält. Immerhin erhalten 43 Prozent der multipel deprivierten Kinder und deren Familien jenseits der Kindertagesstätte keine professionelle Unterstützung.

Armut, Lebenslagetyp und professionelle Unterstützung (sechsjährige Kinder)

Lebenslagetyp
Arme Kinder
Nicht-arme Kinder
Prozent
davon ... Prozent mit professioneller Unterstützung*
Prozent
davon ... Prozent mit professioneller Unterstützung*
Wohlergehen
23,6
28,6
46,4
12,8
Benachteiligung
40,3
56,5
39,8
27,1
Multiple Deprivation
36,1
67,4
13,7
47,9
Gesamt
100,0
51,4
100,0
22,4

* Unterstützung jenseits der "Normalinstitution" Kindertagesstätte.

Quelle: "Armut im Vorschulalter" 1999, Berechnungen des ISS.

Differenziert nach armen und nicht-armen Kindern zeigt sich, dass arme Kinder und ihre Familien deutlich häufiger (51 Prozent) professionelle Unterstützung erhalten als nicht-arme Kinder und ihre Familien (22 Prozent). Arme benachteiligte Kinder und ihre Familien erhalten doppelt so oft professionelle Unterstützung wie nicht-arme benachteiligte Kinder beziehungsweise ihre Familien (57 Prozent versus 27 Prozent). Weniger deutlich ist der Unterschied, wenn beim Kind eine multiple Deprivation vorliegt: Kommt das Kind aus einer armen Familie, so erhält es beziehungsweise seine Familie in zwei Drittel der Fälle (67 Prozent) Hilfe von außen. Multipel deprivierte Kinder aus nicht-armen Familien erhalten nur in etwa der Hälfte der Fälle professionelle Unterstützung (48 Prozent).

Den Befunden ist zu entnehmen, dass die professionelle Unterstützung zwar tendenziell mit den Einschränkungen und "Auffälligkeiten" in der Lebenslage der Kinder korrespondiert. Dies gilt jedoch nicht für alle Kinder, bleiben doch viele - insbesondere nicht-arme deprivierte Kinder - ohne weitergehende Unterstützung/Förderung.

Familien von benachteiligten Kindern, die ohne professionelle Unterstützung bleiben, weisen tendenziell etwas höhere Ressourcen auf als die Gruppe derjenigen mit Unterstützung. Dennoch ist die Frage zu stellen, ob wirklich in allen Fällen die Eigenressourcen der nicht unterstützten Familien ausreichen, um das Kind ausreichend zu fördern. Dies läßt sich jedoch auf Basis des vorliegenden Materials nicht hinreichend beantworten. Eine vertiefende (qualitative) Untersuchung, die das ISS im nächsten Jahr durchführen wird deshalb versuchen, detailliertere Informationen zu den familiären Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten zu ermitteln.

Aus den hier zusammenfassend vorgestellten empirischen Ergebnissen der Erhebung "Armut im Vorschulalter" läßt sich folgern, dass

  • bei einem nicht unerheblichen Anteil von Kindern im Vorschulalter die Armut der Familie gravierende Folgen für die kindliche Entwicklung und kindliche Lebenslage hat,
  • die Armut der Familie jedoch nicht automatisch zur Benachteiligung oder gar multiplen Deprivation des Kindes führt,
  • nicht vorhandene materielle Sicherheit einer Familie nicht die Grundversorgung sowie die Förderung kultureller und sozialer Kompetenzen sowie die gesundheitliche Entwicklung des Kindes automatisch ausschließt oder umgekehrt die materielle Sicherheit einer Familie nicht immer kulturelle und soziale Ressourcen sowie Gesundheit eines Kindes einschließt.

Neben einer ausreichenden materiellen Sicherheit der Familien erweisen sich insbesondere ein gutes Familienklima und regelmäßige gemeinsame familiäre Aktivitäten als bedeutsam für das Wohlergehen und für die Zukunftschancen eines Kindes. Diese "Leistung" der Eltern, denen es trotz schwieriger materieller Bedingungen gelingt, ihren Kindern förderliche Entwicklungsbedingungen zu bieten, ist besonders hervorzuheben. Umgekehrt muß mangelnde familiäre Interaktion - neben Armut - als besonderes Entwicklungsrisiko für das Kind begriffen werden.

Sozialpolitische und sozialarbeiterische Handlungsansätze können sich nicht mehr nur in der Verbesserung der materiellen Lebenslage von Familien und davon abgeleitet von Kindern erschöpfen. Vielmehr ist eine Vielzahl von "Investitionen" in das materielle, soziale und kulturelle Kapital von Kindern, aber auch Eltern zwingend erforderlich.

Handlungsmöglichkeiten und -ansätze in Kindertagesstätten

Kindertagesstätten (Kitas) haben für die Verhinderung und Bewältigung von Armutsfolgen große Bedeutung - dies belegen insbesondere die im Rahmen der Studie durchgeführten Fallanalysen (vgl. Hock/Holz/Wüstendörfer 2000a). Der zentrale Stellenwert der Kitas macht sich an mehreren Punkten fest:

Die Kita stellt eine wichtige Kompensationsmöglichkeit für fehlende Erlebnis-, Entfaltungs- und Erprobungsräume der Kinder innerhalb der eigenen Familie dar. So kann dort mit Spielzeug gespielt werden, welches die Kinder zu Hause niemals haben werden, es wird der Kindergeburtstag gefeiert, der zu Hause zu kurz kommt, usw.

Die Kita ist die wichtigste Entlastungsmöglichkeit für Eltern, um wieder berufstätig zu sein oder berufstätig zu werden. Vor allem die alleinerziehenden Eltern und die an der Armutsgrenze lebenden Eltern mit Niedrigeinkommen in den vom ISS untersuchten Familien weisen ausdrücklich darauf hin, dass sie keine Chance haben, wenn ihnen keine adäquaten Betreuungsmöglichkeiten offenstehen.

Die Kita hat die Funktion eines Seismographen für sich entwickelnde Problemlagen bei den Kindern und in den Familien. Mit Aufnahme der Kinder in eine Betreuungseinrichtung wird die bis dahin private Sphäre familiärer Versorgung und Betreuung öffentlich. Be- oder Überlastungen der Eltern werden bei genauerem Hinsehen ebenso offenkundig wie die Defizite, Probleme oder Auffälligkeiten bei den Vorschulkindern. Damit bietet sich über die Kita die Chance, frühzeitige und vor allem präventiv ausgerichtete Kompensationsmaßnahmen, Hilfestellungen und Unterstützungsangebote für die betroffenen Kinder und deren Familien zu entwickeln und umzusetzen.

Die Kita bietet Erziehungs- und Lebensberatung mit begrenzten Hilfemöglichkeiten. Auch wenn die ErzieherInnen sehr gut als Seismographen für Armutslagen und als Vertrauensinstanz für arme/armutsgefährdete Familien fungieren respektive fungieren können, so sind sie in der Regel weder zeitlich noch fachlich in der Lage, die mehrdimensionalen Problemlagen von Armutsfamilien selbst zu bearbeiten. Sozialarbeit, Rechts- und Finanzberatung usw. sind nicht die originären Aufgaben einer Kita beziehungsweise der dort arbeitenden Fachkräfte. Gleichwohl müssen und können Fachkräfte in Kitas einen direkten Zugang zum weiteren Hilfesystem schaffen. Das aber setzt nicht nur eine Selbstverpflichtung der Kita zu einem umfassenden Angebot voraus, sondern erfordert enge Arbeitsbeziehungen zu allen relevanten Institutionen vor Ort. Diese wiederum müssen von sich aus dazu bereit sein und die entsprechenden Kooperations- und Vernetzungsbeziehungen mit den Kitas suchen. Diesbezüglich besteht erheblicher Entwicklungsbedarf.

Einige Anregungen für die Zukunft

Grundaufgaben für die Zukunft im Sinne einer besseren Ausrichtung von Kindertagesstätten auf die Bedarfe armer Kinder und ihrer Eltern sind insbesondere:

  • Arbeitsmarktgerechte Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtungen
  • (Ausreichende) Betreuungskapazitäten auch für die 0-3 und die 6-10jährigen
  • Sicherung bzw. Ausweitung der Betreuungsschlüssel insbesondere in Einrichtungen mit einem hohen Anteil armer und armutsgefährdeter Kinder
  • Entwicklung der Kitas zur zentralen lokalen Anlaufstelle für Familien. Dies erfordert:
  • Qualifizierung der Fachkräfte in Bezug auf Elternarbeit und Vernetzungskompetenz
  • Bereitstellung von zeitlichen Ressourcen für Vernetzungsaktivitäten u.ä.
  • Öffnung der Einrichtung zum Sozialraum
  • Vernetzung der Einrichtung mit anderen Angeboten (Jugendamt, Sozialamt, Beratungsstellen, Familienbildung ...)
  • Einbindung der Fachkräfte in wichtige Gremien (Jugendhilfeausschuss ...)

Beispiele für konkrete Schritte vor Ort:

  • Bei der Anmeldung: generell auf materielle Hilfen für Familien hinweisen (Erstattung von Beiträgen über das Jugendamt, aber auch Wohngeldansprüche, ergänzende Sozialhilfe u.ä. hinweisen); Recht auf diese Hilfen herausstellen; herausstellen, dass es "normal" ist bzw. häufig vorkommt, dass man nicht genug Geld hat; evtl. elternfreundliches Merkblatt zu solchen materiellen Hilfen erstellen (zusammen mit anderen Einrichtungen; im Rahmen eines Seminars?) und dies kurz mit den Eltern besprechen.
  • Bei offensichtlichen Zahlungsschwierigkeiten (Essensgeld, Kita-Gebühren) bzw. Hinweisen auf materielle Schwierigkeiten (Krankheit/Fehlen des Kindes bei kostenpflichtigen Aktivitäten): Nicht-Teilnahme des Kindes bzw. gar Ausschluß des Kindes aus der Einrichtung in jedem Falle zu verhindern suchen; (über Träger) Förderer/Spender für solche Fälle suchen, so dass kurzfristig geholfen werden kann; zusätzlich vorsichtige Hinweise auf Beratungsstellen, Sozialamt etc.
  • Neue Wege der Elternarbeit gehen: z.B. offene Nachmittags-Treffs, Krabbelgruppen einrichten, evtl. in Zusammenarbeit mit Familienbildung, um ein Sich-Öffnen insbesondere der armen und sozial benachteiligten Eltern zu fördern und ihre relative soziale Isolierung zu überwinden.
  • Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen/Ämtern: Sprechstunden, Arbeitstreffen, Elternabende etc. mit Jugendamt, Sozialamt, Beratungseinrichtungen, Ärzten, Schulen etc. organisieren (zur eigenen Schulung und vor allem zur direkten Beratung der Eltern). Alles sollte vor Ort in bzw. in direkter Anbindung an die Kita stattfinden, um Hemmschwellen zu beseitigen.
  • Bei der Zusammenarbeit mit kommunal Verantwortlichen (Politik, Verwaltung): Wichtigkeit einer qualitativ guten Betreuung in der Kita immer wieder zur Sprache bringen, Notlagen und Armut der Kinder öffentlich machen.

Literatur

Folgende ausführliche Berichte dokumentieren die Studie in Gänze (sie sind über das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V., Am Stockborn 5-7, 604339 Frankfurt am Main zu beziehen):

Hock, Beate; Holz, Gerda (1998): Arm dran?! Lebenslagen und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen. Erste Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 3/1998, Frankfurt am Main.

Hock, Beate; Holz, Gerda; Wüstendörfer, Werner (1999): Armut - Eine Herausforderung für die verbandliche Kinder- und Jugendhilfe. Zweiter Zwischenbericht zu einer bundesweiten Befragung in den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 2/1999, Frankfurt am Main.

Hock, Beate; Holz, Gerda; Wüstendörfer, Werner (2000a): Folgen familiärer Armut im frühen Kindesalter - Eine Annäherung anhand von Fallbeispielen. Dritter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 1/2000, Frankfurt am Main.

Hock, Beate; Holz, Gerda; Wüstendörfer, Werner (2000b): Frühe Folgen - langfristige Konsequenzen. Armut und Benachteiligung im Vorschulalter. Vierter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 2/2000, Frankfurt am Main.

Hock, Beate; Holz, Gerda (Hg.) (2000c): Erfolg oder Scheitern? Arme und benachteiligte Jugendliche auf dem Weg ins Berufsleben. Fünfter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 3/2000, Frankfurt am Main.

Hock, Beate; Holz, Gerda; Wüstendörfer, Werner (2000d): Gute Kindheit - Schlechte Kindheit? Armut und Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Abschlussbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, ISS-Pontifex 4/2000, Frankfurt am Main.