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Zitiervorschlag

Kooperation und Vernetzung von Kindertageseinrichtungen im Sozialraum

Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter


beschlossen auf der 101. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 08. bis 10. November 2006 in Kiel

1. Einleitung

Seit Inkrafttreten der Novelle des Achten Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII / 2005) umfasst der gesetzliche Auftrag der Kindertageseinrichtungen neben der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern auch die Vernetzung und das Zusammenwirken der Kindertageseinrichtungen mit anderen kind- und familienbezogenen Diensten, Einrichtungen, Personen, Institutionen und Organisationen im Sozialraum.

Das vorliegende Arbeitspapier nimmt darauf Bezug und ist als Umsetzungshilfe in erster Linie für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendämter) gedacht; es wendet sich aber auch an Verbände, Träger, Einrichtungen und Dienste der Jugendhilfe, die für Familien, insbesondere für die Tagesbetreuung von Kindern, relevant sind. Ziel ist es,

  • die Diskussion über die Kooperations- und Vernetzungsverpflichtung von Kindertageseinrichtungen im Sozialraum anzuregen,
  • Kooperations- und Vernetzungsbedingungen und -möglichkeiten aufzuzeigen und
  • die Verständigung über Kooperationsziele und Vernetzungsaufgaben zu fördern.

Der Auftrag von Kindertagesbetreuung, wie er im SGB VIII fixiert wurde, ist in den letzten Jahren im Zuge des gesellschaftlichen Wandels systematisch erweitert worden. Vor allem die Pluralisierung von Lebensformen, die jeweilige demographische Entwicklung, die Entwicklung des sozialen Marktes und die Entwicklung des Arbeitsmarktes stellen veränderte Anforderungen an soziale Dienstleister. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen die Professionalität der Kindertageseinrichtungen und die Qualität der Arbeit weiterentwickelt werden. Kindertageseinrichtungen bieten besondere Chancen für die Bildung und Entwicklung der Kinder und können so auch der Mehrdimensionalität benachteiligender Lebenslagen von Kindern und ihren Familien begegnen. Das wird - nicht zuletzt infolge der Finanzsituation der Länder und Kommunen - nur gelingen, wenn Dienstleister kooperieren und Partner mit unterschiedlichen Kompetenzen und Möglichkeiten zusammen arbeiten. Den Kindertageseinrichtungen kommt dabei im Sozialraum eine Schlüsselfunktion zu.

2. Stellenwert von Kindertageseinrichtungen im Sozialraum

Weit über 90% aller 3- bis 6-jährigen Kinder besuchen in Deutschland eine Kindertageseinrichtung. Damit erreichen Kindertageseinrichtungen, insbesondere Kindergärten, fast alle Eltern und Kinder außerhalb der familiären Strukturen.

Kindertageseinrichtungen ermöglichen es den Nutzern, vielfältige Kontakte zu anderen Kindern bzw. anderen Familien mit Kindern aufzunehmen. Sie sind damit nicht nur geeignet, integrative Aufgaben im sozialen Umfeld des Kindes und seiner Familie zu übernehmen, sie bieten sich auch im Zuge der gemeinsamen Betreuung und Bildung von Kindern eines Sozialraums für die Nutzung der Vorteile einer frühen Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf an.

Die Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen ist eines der Angebote der Jugendhilfe, das als Dienstleistung wahrgenommen wird und in der öffentlichen Meinung überwiegend mit positiven Assoziationen verbunden ist.

Die Bedeutung von Kindertageseinrichtungen geht einher mit dem Anspruch insbesondere von Frauen auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der PISA-Studie hat sich der Stellenwert der frühkindlichen Erziehung und Bildung noch weiter erhöht. In Politik und Gesellschaft ist die Kindertageseinrichtung als Bildungsort unumstritten (1). Daraus ergeben sich Chancen und Möglichkeiten für eine bessere Akzeptanz der vielfältigen Angebote der Jugendhilfe. Das trägt mit dazu bei, dass zum Beispiel in Problemsituationen rechtzeitig Hilfsangebote in Anspruch genommen und Krisen vermieden werden können. Damit wird insbesondere dem allgemein-präventiven Auftrag der Jugendhilfe gemäß §§ 16 bis 18 SGB VIII Rechnung getragen. Nicht zuletzt - darauf wird im Folgenden näher eingegangen - ist die Kindertageseinrichtung vorbereitend für den Übergang in die Schule und ein Kooperationspartner für den Bereich der Kindertagespflege.

3. SGB VIII-Novelle als Reaktion auf den Bedeutungswandel von Kindertagesbetreuung

Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) und dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) hat der Bundesgesetzgeber das Recht von Kindern auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege neu geordnet. Die Tagesbetreuung in Einrichtungen und in Kindertagespflege wurde zu einem kohärenten System mit einem übereinstimmenden Auftrag. Im Vordergrund stehen die Entwicklung des Kindes, die Unterstützung und Ergänzung des Erziehungsauftrags der Familie und die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätigkeit.

Der Auftrag von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege wurde durch die Festlegung von gemeinsamen Qualitätsmerkmalen stärker konkretisiert, und die Anforderungen an die Qualifizierung von Tagespflegepersonen wurden erhöht. Im Rahmen der Förderung in Tageseinrichtungen verpflichtet § 22a SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen und weiterzuentwickeln.

Ausdrücklich werden dabei die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption sowie der Einsatz von Verfahren der Evaluation genannt.

Die Sicherstellungsverpflichtung der Jugendämter gemäß § 22a SGB VIII bezieht sich sowohl auf die interne qualitative Weiterentwicklung der Einrichtungen (Abs. 1) als auch auf die Zusammenarbeit der Fachkräfte (Abs. 2) mit

  • den Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses,
  • anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen, insbesondere solchen der Familienbildung und -beratung,
  • den Schulen unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten.

Gegenüber den Trägern von Kindertageseinrichtungen besteht die Verpflichtung gemäß § 22a Abs. 5 SGB VIII, die Realisierung des Förderungsauftrags durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Dem Jugendamt obliegt damit die Gesamtverantwortung für eine gelingende Kooperation der Fachkräfte im Sozialraum. Der Sicherstellungsauftrag kann durch den Abschluss verbindlicher Vereinbarungen mit den Trägern oder durch Aufnahme entsprechender Förderungsvoraussetzungen in den Zuwendungsbescheiden erfüllt werden. Voraussetzung hierfür ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und den Trägern der Einrichtungen, wie sie auch schon bei der Bedarfsplanung gemäß § 80 Abs. 2 und 3 SGB VIII vorgesehen ist.

Das Gebot der Zusammenarbeit der Fachkräfte gemäß § 22a Abs. 2 SGB VIII hat das Ziel,

  • die Kontinuität des Erziehungs- und Bildungsprozesses zu unterstützen und Übergänge, insbesondere zur Schule, optimal zu gestalten,
  • die Zusammenarbeit mit den Eltern im Sinne einer Erziehungspartnerschaft zu stärken und institutionell abzusichern und
  • die Betreuungskontinuität im Hinblick auf die Verlässlichkeit des Angebots zu wahren.

Hierzu gehört auch, dass - schon zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - flexible Betreuungsmöglichkeiten angeboten werden. Das Angebot der Förderung in Tageseinrichtungen soll sich gemäß § 22a Abs. 3 SGB VIII pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. Das Jugendamt hat dafür zu sorgen, dass bei Bedarf auch in Ferienzeiten eine Betreuung sichergestellt ist. Bei der Kindertagespflege als Leistung der Jugendhilfe hat das Jugendamt die Verpflichtung, für Ausfallzeiten der Tagespflegeperson rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit zu gewährleisten (§ 23 Abs. 4 S. 2 SGB VIII).

Über den Sicherstellungsauftrag zur Kooperation hinaus hat das Jugendamt die Verpflichtung zur Erfüllung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdungen gemäß § 8a SGB VIII. Auch hier hat das Jugendamt die Gesamtverantwortung und ist auf die Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Träger von Diensten und Einrichtungen angewiesen. Nach § 8a SGB VIII hat eine erste Risikoabwägung bereits in den Kindertageseinrichtungen zu erfolgen. Regelungen zur Umsetzung des Schutzauftrages, insbesondere zu den Verfahrensabläufen, werden in handlungsfeldbezogenen Vereinbarungen zwischen Jugendamt und Einrichtungsträgern getroffen.

4. Kooperationsbereiche gemäß 22 a Abs. 2 SGB VIII

4.1 Kooperation mit den Eltern (Erziehungsberechtigten)

Die Kooperation mit den Eltern hat durch das in Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz festgeschriebene Elternrecht einen besonderen Stellenwert. Den Eltern gebührt die Pflicht und das Recht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Kindertageseinrichtungen kooperieren mit den Eltern im Sinne einer einheitlichen Förderung der Kinder.

Die Kooperation mit den Eltern ist dabei mehr als die herkömmliche "Elternarbeit", sie versteht sich als Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Ziel der Zusammenarbeit ist es, gemeinsam Entwicklungspotentiale und Entwicklungsprobleme der Kinder zu erkennen und die Erziehungsziele und -methoden aufeinander abzustimmen. Eltern und pädagogische Fachkräfte begreifen sich gegenseitig als Experten/innen für das jeweilige Kind und beide - Eltern und Fachkräfte - sind gemeinsam für die Entwicklung und das Wohl des Kindes verantwortlich. Am Beispiel gelingender Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen der Familie und der Kindertageseinrichtung lernen Kinder insbesondere Grundzüge partizipativen, kooperativen und demokratischen Handelns kennen.

Voraussetzungen für eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Fachkräften der Kindertageseinrichtungen und den Eltern sind gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Vertrauen, Rollenklarheit und die Verständigung zu gemeinsamen Erziehungszielen. Die Fachkräfte informieren unter anderem über pädagogische Leitbilder, Konzeptionen und Maßnahmen und beteiligen die Eltern unmittelbar oder über ihre Interessenvertretung an den entsprechenden Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen.

Mit der Aufnahme der Kinder nehmen die Kindertageseinrichtungen einen Teil der familiären Wirklichkeit an, die jedes Kind durch seine Erfahrungen in der Familie in Form von Gewohnheiten oder Ansichten mitbringt. Gleichzeitig wirken die durch die Kindertageseinrichtungen angeregten Lernprozesse der Kinder auch in die Familien. Kooperation mit den Eltern soll darüber hinaus auch zur Förderung von Kontakten zwischen den Eltern untereinander und zur Unterstützung von Selbsthilfe führen.

4.2 Kooperation mit Kindertagespflegepersonen

Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege haben einen übereinstimmenden Förderungsauftrag gemäß § 22 Abs. 3 SGB VIII. Beide Leistungsfelder haben dabei eine eigene Identität. Lokale Netzwerke, in die Tagespflegepersonen eingebunden sind, können nicht nur, wie vom Gesetz gefordert (§ 23 Abs. 4 SGB VIII) in Ausfallzeiten andere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sicherstellen, sondern auch kollegiale Unterstützung in fachlichen Fragen und in der Qualifizierung der Arbeit befördern.

Kooperation soll in Bezug auf einzelne Kinder zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses in Abstimmung mit den Eltern dienen. Besonderen Stellenwert hat dies bei der

  • Gestaltung von Übergängen von Kindertagespflege in Tageseinrichtungen,
  • Betreuung von Tagespflegekindern in Tageseinrichtungen bei Ausfall der Tagespflegeperson,
  • Betreuung von Kindern, die außerhalb der Öffnungszeiten der Einrichtung von Tagespflegepersonen weiterbetreut werden und bei der
  • Begleitung von Kindern im Übergang in die Kindertageseinrichtung (Besuch der Einrichtung, Spielnachmittage).

Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen ist ein weiteres Feld für kooperative Beziehungen, beispielsweise bei der Nutzung spezieller Bildungsangebote oder Räume in der Kindertageseinrichtung und bei der Anmietung von Räumen in der Kindertageseinrichtung für die Kindertagespflege, sofern Landesrecht Kindertagespflege in anderen Räumlichkeiten zulässt.

Fachliche Kooperation findet vor allem statt, wenn gemeinsame Fortbildungs- und Beratungsangebote für die Fachkräfte der Kindertageseinrichtung und die Tagespflegepersonen wahrgenommen werden.

Neben der kollegialen Beratung und der gegenseitigen Nutzung von Ressourcen sind auch Entwicklungen kooperativer Beziehungen bei der Vermittlung von Betreuungsangeboten zu erkennen, so beispielsweise, wenn die Kindertageseinrichtung den Ort und evtl. auch Ansprechpartner für die Information über regionale Tagespflegestellenangebote bietet.

4.3 Kooperation mit kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen (insbesondere Familienbildung und -beratung)

Gemäß § 16 SGB VIII sollen Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden, damit sie ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können. Nicht immer besitzen Eltern die erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen, um die breite Vielfalt von Unterstützungsangeboten für Familien zu überschauen und das Geeignete auszuwählen. Für die Unterstützung junger Eltern durch wohnbereichsnahe, konzeptionell zusammengeführte Angebote an einem Ort bzw. die Vermittlung zu Unterstützungsangeboten, die Information über Ansprechpartner und Wege zur Inanspruchnahme von Hilfen gibt es dringenden Bedarf. Dieser Anspruch kann nur flächendeckend und familiennah umgesetzt werden, wenn die kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen neue Wege der Kooperation beschreiten, um Familien darin zu unterstützen, den vielfältigen Anforderungen des Zusammenlebens in der Familie und der Funktion der Familie gerecht zu werden.

§ 22a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII hebt insbesondere auf die Zusammenarbeit der Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen mit Institutionen und Initiativen der Familienbildung und -beratung ab. Die Akzeptanz, die Inanspruchnahme und die Wirksamkeit der Angebote der Familienunterstützung, Familienbildung und -förderung müssen durch eine verstärkte Kompetenz- sowie Ressourcennutzung aller Beteiligten, vor allem der zuständigen Fachstellen, gesteigert werden.

Der Zugang zu den Angeboten der Familienbildung und -beratung kann über die Kindertageseinrichtungen geebnet werden und sollte über die bloße Information über die Angebote hinausgehen.

Besonderes Anliegen ist es, auch die Eltern zu erreichen, die bislang kaum oder gar nicht durch Familienbildungsangebote angesprochen werden konnten. Diesbezüglich ist die Kindertageseinrichtung bestens geeignet, im Sinne der Prävention einen niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen.

Das Programm "Mehrgenerationen-Häuser" des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) sowie die bundesweiten Initiativen zur Entwicklung von "Eltern-Kind-Zentren" bzw. "Familienzentren" haben familienpolitisch zum Ziel, Familie zu fördern und den veränderten Anforderungen zur Unterstützung von Familien gerecht zu werden. Die Initiativen sind verbunden mit dem Anspruch einer stärkeren Öffnung und Familienorientierung von Kindertageseinrichtungen, ihrer Vernetzung mit Angeboten der Familienbildung und einer Kooperation mit anderen sozialen Diensten und Einrichtungen.

Die mögliche Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren erschließt vor allem vorhandene Institutionen, Einrichtungen und Dienste für Familien. Die inhaltlichen Schwerpunkte und das Angebotsspektrum der Familienzentren orientieren sich dabei an den Strukturen des jeweiligen Sozialraums. Gedacht ist beispielsweise an die Zusammenarbeit mit der Familienberatung und dem Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes, um Familien im Bedarfsfall weiterhelfen zu können, sowie an informelle Zugänge zu anderen Stellen innerhalb der Hilfestruktur.

Ziel ist es, eine systematische und institutionell angelegte Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Kooperationspartnern und deren Vernetzung und Kommunikation auf- bzw. auszubauen. Das Zusammenwirken, die zeitnahe persönliche und fachliche Verständigung zwischen Kindertageseinrichtungen, Beratungsstellen, Eltern und Institutionen der Familienbildung und -beratung ermöglicht schnelle, effektive und lebensnahe Hilfen.

4.4 Kooperation mit den Schulen

Über die bundesgesetzlichen Regelungen hinaus haben die Bundesländer in ihren Gesetzen zur Kindertagesbetreuung und zur Schule Regelungen für eine kooperative Zusammenarbeit zwischen beiden Bildungsinstitutionen in unterschiedlicher Konkretheit und Verbindlichkeit getroffen. Im Mittelpunkt der Kooperation stehen die Rechte, Bedürfnisse, Interessen und individuellen Förderbedarfe von Kindern.

Von besonderer Bedeutung ist es, den Übergang vom Kindergarten zur Schule als kontinuierlichen Prozess in gemeinsamer Verantwortung von Kindertageseinrichtung und Schule zu gestalten. Im Mittelpunkt steht dabei das Erkennen individueller Ausgangslagen, die Verständigung über spezielle Förderbedarfe, die zunächst gemeinsame Unterstützung individueller Lern- und Bildungsentwicklungen und die Abstimmung der pädagogischen Maßnahmen bzw. des erzieherischen Handelns, um jedem Kind einen optimalen Übergang zu ermöglichen.

In der Praxis haben sich Kooperationsvereinbarungen als unterstützende Instrumente bewährt, in denen konkrete Festlegungen für eine langfristige Übergangsgestaltung unter aktiver Beteiligung aller Partner, insbesondere auch der Kinder, sowie entsprechende Verantwortlichkeiten und Zeitabläufe festgehalten sind. Wichtig sind in diesem Kontext auch frühzeitig übergangsorientierte Entwicklungsgespräche mit Eltern, Schullehrkräften und pädagogischen Fachkräften der Kindertageseinrichtung, um bisherige Bildungsverläufe insbesondere auf der Grundlage von Bildungsdokumentationen zu verdeutlichen und die individuellen Lernbiographien zu begleiten.

Ein weiteres Kooperationsfeld ist die Zusammenarbeit mit den Schulen, um die Arbeit mit Schulkindern in Horten und anderen Kindertagesbetreuungsangeboten zu unterstützen. In Bezug auf die außerunterrichtliche Betreuung haben sich in den Bundesländern unterschiedliche Konzepte und Angebotsstrukturen entwickelt - teils auch in Verantwortung von Schule. Unabhängig davon soll die Kooperation mit den Schulen darauf gerichtet sein, dass die Zeit nach dem Unterricht für Schulkinder auch eigene Gestaltungsräume und vielfältige Möglichkeiten zum Erwerb von Freizeitkompetenz bietet.

Wenn die Kooperationspartner, nämlich die Kindertageseinrichtungen und Schulen die individuellen Bildungsprozesse der Kinder in den Mittelpunkt stellen, können Chancen, die mit den unterschiedlichen Perspektiven und der spezifischen Professionalität der Fachkräfte einhergehen, genutzt werden.

5. Bedingungen, Wege und Perspektiven von Kooperation und Vernetzung

Zentrales Gestaltungsprinzip einer gelingenden Kooperation ist die partnerschaftliche Partizipation aller Beteiligten: der Kinder, der Erzieher/innen sowie anderer pädagogischer Fachkräfte und Eltern.

Gefördert wird Kooperation durch:

  • Transparenz der handlungsfeldbezogenen Arbeitsansätze, der fachlichen Möglichkeiten aber auch Grenzen des Handelns,
  • Bereitschaft zur Kooperation (einschließlich zur Durchführung gemeinsamer Projekte zur gemeinsamen Nutzung der personellen, sächlichen und räumlichen Ressourcen),
  • Anerkennung von Expertenstatus aller Beteiligten, gegenseitiges Vertrauen, Kollegialität,
  • fachlichen Austausch,
  • verbindliche Kooperationsvereinbarungen zur Institutionalisierung von Zusammenarbeit (einschließlich personeller Kontinuität, Zeit und Raum),
  • Zielvereinbarungen (z. B. mit Abstimmung zu konzeptionellen Fragen, Dokumentationsinstrumente) und
  • Sicherstellung der notwendigen Ressourcen bei den Kooperationspartnern und beim Jugendamt (vor allem Personal und Zeitbudget).

Zur Planung und Entwicklung aufeinander abgestimmter differenzierter Hilfen und Projekte unter Berücksichtigung konkreter Bedingungen und Ressourcen des Sozialraums dienen sozialräumliche Netzwerke.

Regionale Arbeitskreise und Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII können helfen, solche sozialräumlichen Netzwerke aufzubauen und zu gestalten. Beteiligt werden sollten nicht nur Vertreter aus den Bereichen Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit und Schule, sondern auch ortsansässige Vereine, Organisationen, Betriebe, Vertreter des Gesundheitswesens, der Kultur u.a.

Vernetzung und Kooperation sind nicht nur rechtlich geboten, sie bieten auch die Möglichkeit, vorhandene Potentiale zu bündeln, Ideen in ihrer Vielfalt zu entwickeln und gemeinsame Strategien und Handeln im Sozialraum zu verankern.

Anmerkung

(1) Siehe: "Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen", Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004 und Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004