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Zitiervorschlag

Feste und Feiern im Mai

Martin R. Textor

 

Im Mai - dem ersten warmen Monat im Jahresverlauf - werden der Frühling und die Sonne begrüßt. Viele alte Traditionen können im Kindergarten aufgegriffen werden und bereichern das Zusammenleben.

Den Mai holen

Am ersten Maientag, an dem der Kindergarten geöffnet hat, ziehen wir mit der Kindergruppe hinaus in die Natur, "um den Mai zu holen". Wir pflücken Blumen und schneiden grüne Zweige - möglichst mit Blüten - ab. Kennen wir uns mit Kräutern aus, so sammeln wir welche am Waldrand oder an einer anderen Stelle, wo natürlich nicht gedüngt oder gespritzt worden ist. Frühlingslieder singend, kehren wir in den Kindergarten zurück und schmücken ihn mit den Zweigen und Blumen. Die Kräuter werden gewaschen, gehackt und mit Butter verrührt; jedes Kind bekommt ein Stück frisches Brot mit der "Maibutter".

Rezept "Kräutermayo":

Ihr braucht dafür: 200 g Frischkäse, 250 g Sahnequark, 5-6 EL Milch, ½ Bund Petersilie, 1 Prise Salz, 1 Prise Pfeffer
Und so wird's gemacht: Gebt den Frischkäse, den Quark und die Milch in eine Schüssel. Wascht die Petersilie, schüttelt sie gut trocken und schneidet sie mit der Schere oder dem Messer klein. Fügt sie den anderen Zutaten hinzu. Verrührt alles gut miteinander und schmeckt die "Mayo" mit Salz und Pfeffer ab.
(Aus: C. Willers-Vellguth/K. Kerschjens: Brutzeln, backen, schlemmen. Aachen: Bergmoser + Höller Verlag 1997)

Alternativ können am ersten Maitag im Kindergarten "Gold-" und "Silberkuchen" gebacken werden - eine Sitte aus dem viktorianischen England:

Silberkuchen:

125 g Butter mit 125 g Zucker schaumig rühren, dann abwechselnd 200 g Mehl und festen Eischnee aus 5 Eiweiß darunterheben, schließlich 1 gehäuften Teelöffel Backpulver, einige Tropfen Bittermandelaroma und 2 Esslöffel gemahlene Mandeln dazugeben und verrühren. Den Teig in gut gefettete Förmchen bzw. eine Kastenform geben und bei Mittelhitze 15 bis 20 Min. backen. Hölzchenprobe machen.

Goldkuchen:

Wie zuvor Butter, Zucker und Mehl verrühren. Dann 5 Eigelb, 2 Teelöffel Backpulver und 4 Esslöffel Zitronensaft darunterrühren. Wie oben - aber 20 bis 30 Min. lang - backen.

Aufstellen (und Stehlen) eines Maibaums/ Maireigen

An einem anderen Tag besuchen wir mit den Kindern den Maibaum, sofern diese Tradition an unserem Wohnort besteht. Wir betrachten seinen Schmuck. Falls dies möglich ist, folgt ein Maireigen:

  • Die Schnecke: Wir bilden einen Kreis um den Maibaum, fassen uns an die Hände und tanzen um den Baum herum. Dann wird der Kreis an einer Stelle geöffnet. Das erste Kind übernimmt die Führung der so entstandenen Kette und führt sich - tanzend - in immer enger werdende Spiralen um den Baum.
  • Der Bändertanz: Die Mädchen/ Kinder erhalten bunte Bänder und tanzen damit um den Maibaum herum.

Noch schöner ist es, wenn Väter auf dem Außengelände des Kindergartens einen Maibaum aufstellen. Zumeist wird eine Fichte gewählt, die bis auf den oberen Teil der Krone entästet und deren Stamm abgeschält wird. Die Krone wird dann von den Kindern mit einer Fahne, Bändern, bunten Eiern, Herzen ("Wonnemonat" Mai) u.a. verziert; auch der Stamm kann mit einem Band umwickelt werden. Den Kindern wird von der Sitte des Maibaumstehlens und -auslösens erzählt - und vielleicht ist einige Tage darauf wirklich der Maibaum gestohlen und muss von den Kindern bei den Nachbarn gesucht werden...

Muttertag - einmal anders

Am zweiten Sonntag im Mai ist Muttertag. Dieses Fest wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA erfunden. Da dort Kirchen, Clubs und andere Institutionen große Bankette veranstalten, zu denen die Mütter von ihren Töchtern eingeladen werden, verzichten wir einmal auf das Basteln von Muttertagsgeschenken. Stattdessen bereiten wir mit den Kindern ein großes Festessen zur Abholzeit vor. Nur die Mütter speisen; die Kinder holen im Gänsemarsch die einzelnen Gänge aus der Küche oder dem Nebenraum, servieren, bedienen ihre Mütter und schenken Getränke nach. Sie stehen die meiste Zeit hinter deren Stühlen. Zum Schluss wird jeder Mutter eine Nelke überreicht.

Christi Himmelfahrt

Das Fest Christi Himmelfahrt wird am 40. Tag nach Ostern begonnen, von allen Konfessionen gemeinsam. Da es mit einem gesetzlichen Feiertag verbunden ist, feiern wir es im Kindergarten am Tag darauf, einem Freitag. Im Stuhlkreis lesen wir den Bibeltext über die Himmelfahrt Christi vor:

"Ihnen [den Aposteln] hat er sich auch als der Lebendige erzeigt nach seinem Leiden in mancherlei Erweisungen, und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er sie versammelt hatte, befahl er ihnen, dass sie nicht von Jerusalem wichen, sondern warteten auf die Verheißung des Vaters, welche ihr, so sprach er, gehört habt von mir; denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. Die aber zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater in seiner Macht bestimmt hat; ihr werdet aber die Kraft des heiligen Geistes empfangen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. Und da er solches gesagt, ward er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Kleidern, welche auch sagten: Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr und sehet gen Himmel? Dieser Jesus, welcher vor euch ist aufgenommen gen Himmel, wird so kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen" (Apg. 1, 3-11)

Mit den Kindern sprechen wir über den Hindurchgang des Herrn Jesu vom Tod zur Herrlichkeit und die Bedeutung für die eigene Erlösung. Befindet sich unser Kindergarten auf dem Land, kann die traditionelle "Flurprozession" folgen: Wir spazieren mit den Kindern zu den nächsten Feldern, umrunden sie, bleiben von Zeit zu Zeit stehen, um religiöse Lieder zu singen und beschließen den Rundgang mit einem Bittgebet (idealerweise an einem Feldkreuz).

Auf zum Kindergarten-Kirmes!

Ende Mai ist die Zeit der Frühjahrsmesse, der Kirmes bzw. der Dult. Diese Jahrmärkte entstanden vor mehreren hundert Jahren: An hohen Kirchenfeiertagen kamen viele Menschen aus dem Umland in die Städte, um dort die Messe zu feiern. Da man sich diese Kundschaft nicht entgehen lassen wollte, wurden im Anschluss an den Gottesdienst die unterschiedlichsten Waren feilgeboten; hinzu gesellten sich mit der Zeit Schausteller, Gaukler und sonstiges fahrendes Volk. Im Kindergarten können wir diese Tradition aufgreifen und einen Basar veranstalten - mit einem kleinen Rahmenprogramm: Kinder bieten von ihnen zubereitete Backwaren, Speisen und Getränke an, einige Eltern führen ein Puppenspiel vor, ein Vater zeigt einige Zaubertricks...

Anmerkung

Der Text ist - zum Teil leicht verändert - in dem Heft "Armes Häschen, bist du krank?", Bausteine Kindergarten, Ausgabe 1/1999, erschienen. Das Heft ist vergriffen.

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de