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Zitiervorschlag

Marketing und Kundenorientierung in sozialen Einrichtungen

Tina Huttner

 

Der stärker werdende Konkurrenzdruck und die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Träger sozialer Einrichtungen führen dazu, dass sich die Einrichtungen verstärkt mit betriebswirtschaftlichen Methoden auseinandersetzen. Marketing und Marketing-Mix sind dabei viel mehr als nur Werbungsstrategien, sie umfassen vielmehr ein weites Feld von Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik. Dass dies nicht nur für Wirtschaftsbetriebe interessant sein kann, möchte ich im Folgenden zeigen.

Jede Einrichtung verfügt über einen Marketing-Mix (Marketing-Mix = die Gesamtheit der vier oben genannten Bereiche des Marketings), auch wenn sie sich dessen noch nicht bewusst ist. Daher ist der erste Schritt, sich über die bereits vorhandenen Strukturen des Marketings in der Einrichtung einen Überblick zu verschaffen. Das geschieht am besten mit Hilfe einer Ist-Analyse. Im Anschluss daran sind eigene Ideen gefragt - oder auch die Ideen und Bedürfnisse ihrer Kunden (Eltern, Träger und Öffentlichkeit)!

1. Die Ist-Analyse

Um die Ist-Analyse zu erstellen, betrachten wir die vier Bereiche des Marketing einzeln, um uns so einen Überblick zu verschaffen:

1.1 Produktpolitik

  • Was wird "produziert", d.h. was ist das vom Träger vorgegebene Angebot (z.B. Kinderbetreuung für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren, Montags bis Freitags von 7 bis 17 Uhr)?
  • Wie ist das Produkt gestaltet (Konzeptionen, pädagogische Stilrichtungen)?
  • Welche zusätzlichen Leistungen werden angeboten (z.B. Elterncafé)?
  • Wie wird das Produkt verbessert?
  • Wie entstehen zusätzliche Leistungen (auf Anregung des Elternrates, im Team, ...)?

1.2 Preispolitik

  • Wie wird der Preis (Elternbeitrag) festgelegt?
  • Gibt es von Seiten der Einrichtung Möglichkeiten der Einflussnahme?
  • Gibt es Möglichkeiten, Geld für die Kasse der Einrichtung einzunehmen?

1.3 Kommunikationspolitik

  • Welche Aktivitäten gibt es, die die Meinung der Kunden (Eltern, Träger und Öffentlichkeit) beeinflussen (z.B. Hospitationen, Elternzeitungen, Videodokumentationen, Teilnahme an öffentlichen Festen und Fachtagungen, Artikel in örtlicher und Fachpresse, Internetauftritte, ...)?

1.4 Distributionspolitik

  • Wie kommt das Produkt zum Kunden (z.B. Anmeldemöglichkeiten, Bringdienste, aufsuchende Arbeit, ...)?

2. Entwicklung eines neuen Marketing-Konzeptes

2.1 Produktpolitik

Wenn man sich einen Überblick verschafft hat, kann man mit der Weiterentwicklung der Marketingmaßnahmen beginnen. Dabei stehen Entscheidungen über Produktpolitik am Anfang aller Überlegungen.

Viele Erzieherinnen werden jetzt denken: "Was sollen wir denn noch alles zusätzlich zu unserer eigentlichen Arbeit anbieten - wir haben keine freien Kapazitäten mehr!" Überlegungen zur Produktpolitik - insbesondere im Hinblick zur Kundenorientierung - sollen und müssen aber nicht unbedingt zu Lasten der Erzieherinnen gehen (Ein Lösungsvorschlag zu dieser Problematik ist im Abschnitt 2.2 Preispolitik aufgeführt).

Natürlich ist es sinnvoll und notwendig, das Produkt, das man anbietet, ständig fachlich zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Im Hinblick auf Marketing wollen wir uns aber auch um neue Produkte bemühen. Im Marketing spricht man dabei von Produktvariation und Produktinnovation.

Produktvariation ist eine Variation des selben Produktes (vgl. Color-Waschmittel und Waschmittel für Schwarzes). Das bedeutet, dass das Angebot leicht variiert wird, aber von Grund auf doch das selbe bleibt. Bei einer sozialen Einrichtung könnte sich z.B. die Arbeit nach einem neuen pädagogischen Ansatz ausrichten, in der Grundform aber bewahrt werden (Kinderbetreuung für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren, Montags bis Freitags von 7 bis 17 Uhr).

Bei Produktinnovationen handelt es sich dagegen um echte Neuentwicklungen. In einer KiTa könnte es sich dabei z.B. um einen Shopping-Service (= Betreuung während des samstäglichen Einkaufes), einen Ausgeh-Service (= Betreuung am Abend), verschiedene Kursangebote (Frühenglisch, Kochkurs oder auch Kurse für Eltern) oder andere Dienstleistungsangebote (Frisör kommt in die KiTa) handeln.

Manch einer wird angesichts der Vorschläge für Produktinnovationen nun seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen - nämlich dass die Erzieherinnen bei gleichbleibendem Gehalt und Anerkennung immer mehr leisten müssen. Für dieses Problem gibt es allerdings Lösungen, die nicht nur der Einrichtungskasse sondern auch den Erzieherinnen zugute kommen können.

Für die Entwicklung neuer Produkte ist es natürlich von großer Bedeutung zu erfahren, an welchen Produkten die Kunden überhaupt Interesse haben. Sonst entwickelt man mit großem Aufwand neue Ideen und Konzepte, die aber an den Bedürfnissen der Kunden gänzlich vorbeigehen und so von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Um nun das Interesse der Eltern an neuen Produkten und auch ihre Bereitschaft, dafür zu zahlen, zu ermitteln, sollte man vor dem Start einen Kundenbefragung durchführen. Hierbei kann man ruhig kreativ sein und alle möglichen Produktinnovationen, Preisvorstellungen und auch Ideen von Eltern abfragen. Nach der Auswertung kann man ersehen, was tatsächlich den Bedürfnissen der Eltern entspricht und sich dann Gedanken um die Preispolitik machen.

2.2 Preispolitik

Hierbei kommen wir auch zu der oben schon angedeuteten Lösung für die KiTa-Kasse und die Erzieherinnen: Da in vielen Einrichtungen die Strukturen verhindern, zusätzliche Angebote mit einem zusätzlich von den Eltern zu entrichtendem Entgelt anzubieten, gibt es die Möglichkeit, einen gemeinnützigen Förderverein zu gründen. Dieser Verein kann Kurse, Kinderbetreuung etc. anbieten und die Überschüsse der KiTa zukommen lassen.

Ich sehe dabei verschiedene Möglichkeiten:

  1. Eltern und Erzieherinnen gründen einen Verein und bieten verschiedene Angebote an. Die übrigen Eltern können Mitglieder werden und so die Angebote in Anspruch nehmen. Nach Abzug eines angemessenen Honorars für die Kursleiter bzw. Betreuer und eventuell anfallender Materialkosten gehen alle Überschüsse an die Einrichtung.
    • Der Mitgliedsbeitrag der Eltern an den Förderverein ist so hoch, dass sie alle Angebote des Vereins nutzen können.
    • Oder der Mitgliedsbeitrag ist gering, aber alle in Anspruch genommenen Angebote werden separat bezahlt.
    • Oder jedes Elternteil kann ohne Vereinsmitgliedschaft die Angebote in Anspruch nehmen. Die in Anspruch genommenen Angebote werden bezahlt.
  2. Der Verein zahlt der Einrichtung Miete für die Räume und verteilt die Überschüsse auf die Kursleiter bzw. Betreuer.

Kursleiter bzw. Betreuer können sowohl Erzieherinnen als auch Eltern oder sogar studentische Aushilfen sein. Das Honorar der Fachkräfte sollte angemessen sein, d.h. für mich, dass eine Kursleitung oder Betreuerin mindestens 10-12 EUR pro Stunde bekommen sollte. Diese Übungsleiterpauschale ist übrigens innerhalb eines Vereines steuer- und sozialversicherungsfrei.

Wenn man die Kinderanzahl pro Kurs oder Gruppe gering halten möchte (was bei Kindern dieser Altersstufe erforderlich ist), müsste bei sechs Kindern die Kursgebühr mindestens 40 EUR pro Kurs (à 10 Unterrichtseinheiten) und Kind liegen. Ich gehe in dieser Altersstufe von zwei Kursleitern aus, die in diesem Fall ein Honorar von je 12 EUR pro Stunde bekommen würden. Falls Materialkosten anfallen, verringert sich das Honorar. Bei einer Kursgebühr von 40 EUR wird ebenfalls noch kein Gewinn erwirtschaftet, der der KiTa zugute kommen könnte.

Wenn man pro Kind eine Kursgebühr von 50 EUR verlangen würde, käme bei einem Honorar von 12 EUR/Std. für die Fachkräfte ein Überschuss von 60 EUR abzüglich der Materialkosten zusammen. Bei steigender Kinderanzahl steigt der Gewinn.

Eine Betreuung der Kinder, z.B. an einem Samstag, müsste bei einer Gebühr von 6-7 EUR pro Stunde mit gutem Gewinn machbar sein. Ich gehe davon aus, dass pro 10 Kinder 2 Betreuer benötigt werden und dass diese ein Honorar von 10 EUR pro Stunde bekommen. Bei einer Anzahl von 10 Kindern würde man also pro Stunde einen Gewinn von 40-50 EUR für die KiTa-Kasse erwirtschaften. Der Gewinn kann allerdings nach unten schwanken, wenn nicht alle Eltern die angebotene Stundenanzahl im vollen Umfang nutzen möchten. Auch Betriebskosten (wie z.B. Wasser, Strom und Heizung) müssen vom Gewinn noch abgezogen werden.

2.3 Kommunikationspolitik

Mit allen oben genannten Maßnahmen kann sich eine Einrichtung profilieren und ihr Image sicher eindrucksvoll verbessern. Allerdings nutzen die besten und kundenfreundlichsten Angebote nichts, wenn sie nicht einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Ein Grundsatz lautet: Tue Gutes und rede darüber! Daher sollte der Verein auch dafür sorgen, dass zum einen in der Stadt oder Gemeinde die Tätigkeit des Vereins und damit auch der Einrichtung bekannt wird (z.B. durch Zeitungsartikel in der Regionalzeitung, Radiointerviews, Reportagen im Lokalfernsehen und auch durch die jetzt schon von der Einrichtung wahrgenommenen Möglichkeiten der Kommunikation) und das zum anderen die Fachöffentlichkeit informiert wird. Dies könnte bei Fachtagungen aber vor allem durch Artikel in Fachzeitschriften geschehen. Eine gute Möglichkeit, die sich der Verein auf keinen Fall entgehen lassen sollte, bietet das Internet. Auf verschiedenen Fachseiten kann man Artikel, Projektberichte und Konzeptionen einstellen und so auch Leser und Interessierte aus dem Ausland erreichen.

Um die direkte Kommunikation zu den Kunden Eltern noch zu verbessern, ist in der KiTa ein für alle Mitarbeiter verbindliches Beschwerde-Management-System empfehlenswert. So kann man den Eltern noch mal zeigen, dass sie und ihre Bedürfnisse in der Einrichtung ernst genommen werden. Um den Eltern dies transparent zu machen, empfehle ich einen Elternbrief, in dem das gewählte System genau erklärt wird und den Eltern auch das Ziel dieser Maßnahme vermittelt wird ("Wir wollen uns für Sie verbessern"). Neue Eltern sollten diesen Info-Brief während der Eingewöhnungszeit bekommen.

Des weiteren halte ich es für unbedingt erforderlich, eine gute telefonische Erreichbarkeit für die Eltern und andere Kunden sicherzustellen. Wenn dies aus organisatorischen Gründen nur schlecht möglich ist, kann man eine verbindliche Telefonsprechstunde einrichten und deren Zeiten auf dem Anrufbeantworter ansagen. In dieser Zeit sollte die Leitung dann verbindlich erreichbar sein bzw. bei Abwesenheit eine Vertretung diese Aufgabe übernehmen.

2.4 Distributionspolitik

Ein Bereich fehlt uns noch in der Verbesserung des Marketing-Mixes: Die Distributionspolitik. Im wirtschaftlichen Sinne sind mit diesem Begriff eigentlich verschiedene Möglichkeiten des Vertriebes gemeint, also "wie kommt das Produkt zum Kunden". Da in sozialen Einrichtungen das Produkt meist an die Einrichtung gebunden ist (außer bei aufsuchender Arbeit), kann man sich hier Gedanken darüber machen, den Eltern den Zugang zu dem Produkt "KiTa" zu erleichtern. Eine gute Möglichkeit bietet das Internet. In einem gut gestaltetem Internetauftritt des Trägers oder der KiTa selbst kann eine Möglichkeit zur Online-Anmeldung und zum direkten Kontakt mit der entsprechenden KiTa über eine Email-Adresse geschaffen werden.

3. Der Nutzen für Kunden, Träger und Erzieherinnen

"Und was bringt das alles?" werden Sie sich jetzt vielleicht fragen. Der Nutzen für Kinder und Eltern liegt eigentlich auf der Hand: Eine flexiblere Gestaltung der Betreuung lässt auch für die Bedürfnisse der Eltern mehr Spielraum. Durch Kursangebote vor Ort in der Einrichtung fällt das "Taxi Mama" weg und man hat gleichzeitig auch für den Nachwuchs etwas Gutes getan.

Die Kinder erleben die Kurse und die anderen Betreuungsangebote mit Freunden in gewohnter Umgebung und nicht allein mit einem Babysitter oder mit lauter Fremden.

Gleichzeitig spüren kleine Kinder sehr genau die Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) ihrer Eltern. Wenn die Eltern sich in der KiTa angenommen fühlen, übertragen sich diese positiven Gefühle auch auf die Kinder. Das Kind kommt dann meist gerne in die KiTa und kann durch die Entlastung der Eltern, die diese durch das erweiterte Angebot der Krippe erleben, eine entspanntere Freizeit mit seinen Eltern verbringen.

Obwohl der auf den ersten Blick die Eltern als der größte Nutznießer erscheinen, profitieren sowohl die Einrichtung als auch der Träger erheblich von der Einrichtung eines Fördervereins und den kundenorientierten Angeboten. Das Image eines modernen, kundenfreundlichen Unternehmens wird ja auch nicht nur in Zeitungsartikeln oder Fachveranstaltungen weitergegeben, sondern vor allem auch durch zufriedene Kunden. Das positive Image kann bei der Gewinnung von Neukunden aber auch bei der Gewinnung von qualifiziertem und engagiertem Personal (derzeit ein großes Problem in Frankfurt) nur von Vorteil sein.

Nicht zuletzt haben auch die Erzieherinnen etwas von der Kundenorientierung: Sie wirken ihrem "Kaffeetantenimage" entgegen und können durch wachsende Anerkennung, neue Aufgaben und die monetären Anreize (= Anreize durch Geld) neue Motivation für ihren beruflichen Alltag schöpfen.

Natürlich erleichtert die Zufriedenheit der Eltern auch die alltägliche pädagogische Arbeit, sei es mit den Kindern oder mit den Eltern.

So profitieren alle Beteiligten von der Kundenorientierung und der Neugestaltung des Marketing-Mixes...

Autorin

Für betriebswirtschaftliche Beratungen stehe ich Ihrer Kindereinrichtung gerne zur Verfügung:

Tina Huttner - Sozialwirtin und Leiterin der Kita TfK Heidelberg -
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